Kai Althoff im MoMA

Kai Althoff hat die Kunstwerke ausgesucht, die in seiner ersten großen Einzelpräsentation im Museum of Modern Art in New York gezeigt werden, und er hat auch die Ausstellungsarchitektur entworfen. Er hat die Arbeiten selbst gehängt, gestellt, gelegt und drapiert, denn es sind ja nicht einfach nur Gemälde oder Skulpturen, sondern es sind komplexe Arrangements, zum Teil unter dem Einsatz von Möbeln und Müll und Vitrinen voller Texte und Fotos, installiert in einer Art Dachboden, den man nach des Künstlers Anweisungen in die Ausstellungshalle gezimmert hat. Die Presse wird gebeten, Abbildungen aus einer Auswahl von Arrangements zu wählen, die von anderen Althoff-Ausstellungen stammen. Er hat auch den Katalog dazu selbst gestaltet und dafür einen einführenden Text und Bildinterpretationen bei einem Freund bestellt, den er in einer koscheren Pizzeria in Crown Heights kennengelernt hatte, wo der Mann aus Köln seit einiger Zeit lebt, einer stark von strenggläubigen Chassidim geprägten Nachbarschaft in Brooklyn. Diese sehr spezielle Welt aus Mystizismus und Alltag, Weltabwendung und Familien-Vans spielt ja nun auch keine ganz geringe Rolle in Althoffs Bildern der letzten Zeit.

Wenn man nun Laura Hoptman, die zuständige Kuratorin am MoMA fragt, was dem Museum da eigentlich noch zu tun blieb bei dieser Ausstellung, sagt sie: „Tja, gute Frage.“ Und dann: „Dem Künstler seine vielen, vielen, sehr spezifischen Wünsche erfüllen.“ Um ein sechshundert Meter weites Zelt aus Seide zu bekommen, ist es hilfreich, auf die Werkstätten eines gut ausgestatteten Hauses zurückgreifen zu können. An den Elementen der Ausstellungsarchitektur sei ein Jahr lang gearbeitet worden. Man schaut, wenn man das so hört, ganz ehrfürchtig zurück auf all die Althoff-Shows früher bei Christian Nagel in Köln oder bei der Berliner Galerie Neu: Mussten die auch jedes Mal so einen Aufwand betreiben? Jedenfalls begegnet einem vieles von dem, was Althoff im Laufe der letzten 25 Jahre so geschaffen hat, hier nun wieder, präsentiert als sei es sein Privatarchiv im ausgebauten Jugendzimmer auf dem Dachboden. Er habe das Werk so arrangiert, wie es ihm „zu diesem Zeitpunkt in seinem Leben“, angemessen erschien, erklärt Althoff in seinem Begleittextchen.

Die Tendenz, selbst der Kurator des eigenen Werks sein zu wollen, zeigen viele Künstler, und vielleicht ist das auch nur eine zwangsläufige Reaktion auf die Tendenz so vieler Kuratoren, sich selbst als der Künstler zu gerieren. Aber selten mal hat das jemand so unverblümt und bockig deutlich gemacht wie Kai Althoff jetzt ausgerechnet im großen, mächtigen MoMA. Er dankt dem Haus die Freiheit, die es ihm ließ, mit einem Raum, der in Amerika ungefähr so mythisch aufgeladen ist wie in Deutschland Dachboden und Keller zusammen. Da es amerikanischen Holzhäusern nämlich oft an Kellern mangelt, kommt dem Dachboden doppelt große Bedeutung zu als Stauraum des Abgelegten, Archivierten wie auch des Verdrängten; und Redewendungen wie das schöne „to have toys in the attic“ drücken hier eine besondere psychische, sagen wir, Spielfreudigkeit im Oberstübchen aus. Trotz der vielen deutschsprachigen Texte, Pamphlete, Dramolette, die Althoff da zwischen seinen Bildern ausgelegt hat, scheint dieser hochpersönliche und an vielen Stellen auch sehr altbundesrepublikanische Kai-Althoff-Raum in New York einigermaßen nahtlos an die großen Speichern der amerikanischen Popkultur anzuschließen, mit ihrer masochistischen Freude an „Teenage Angst“ und Transgressionen.

Hoptman sagt, dass sie Althoff in den USA zeigen wollte, weil er hier bisher nur selten zu sehen gewesen sei, gleichzeitig mit der melancholischen Handwerklichkeit seiner Kunst aber großen Einfluss auf eine ganze Reihe amerikanischer Künstler genommen habe. Das klingt nur solange wie ein klitzekleiner Widerspruch, bis man in Erinnerung ruft, wie viele amerikanische Künstler in Deutschland unterwegs waren in den letzten zehn, zwanzig Jahren. Ihr selbst, erzählt Laura Hoptman, sei Kai Althoff zum Beispiel einst von der Malerin Elizabeth Peyton nahegebracht worden. Wenn man sich deren Porträts vor Augen hält und jetzt hier Althoffs Tronjen, dann weiß man, warum.

(c) PETER RICHTER

And then leave me to the common swifts (Und dann überlasst mich den Mauerseglern), bis 22. Januar. Der Katalog kostet 60 Dollar.

 

Eine Version dieses Textes erschien zuerst am 15.9.2016 im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung