Studio Sterling Ruby

Mitten in Los Angeles, gleich unterhalb des Stadtzentrums, liegt Vernon, eine eigenständige Gemeinde mit nur 112 Einwohnern, von denen man exakt keinen einzigen sieht. Was man sieht: Industrie, Lagerhallen, Schrottplätze sowie da, wo sich auf der South Soto Street die Gleise einer Werkseisenbahn gabeln, das Atelier von Sterling Ruby. Und das Atelier von Sterling Ruby hat in der Welt der Kunst einen Ruf wie unter Kindern die Schokoladenfabrik von Willy Wonka.

Man kann mit den Produkten, die hier hergestellt werden, nur dann nicht in Berührung kommen, wenn man zwischen New York, London und Tokio konsequent die größten Galerien und Kunstmessen meidet, nie in einem Auktionskatalog blättert und besser auch in keinem Modemagazin. Der Name steht unter wuchernden Stoffwürsten in den Nationalfarben der USA und unter verkrusteten Riesenaschenbechern aus Keramik. Er steht unter gewaltigen Windspielen aus lackiertem Stahl, und er steht auf Textilien, die man als Bild an eine Wand hängen kann wie auch auf solchen, die sich als Kleidung tragen lassen. Ab diesem Wochenende steht er sogar am ehemaligen Finanzministerium von Österreich, dem barocken Winterpalais von Prinz Eugen, denn auch den darf Sterling Ruby für den Sommer mit seinen Sachen ausstatten. Die Einträge ins Gästebuch kann man sich ausmalen: „Hält Ruby sich für Rubens?“ und ähnliches ist absehbar.

Wer nämlich verkündet, dass er den Mann einmal an seiner Produktionsstätte besuchen will, bekommt es mit zweierlei Reaktionen zu tun.

„Alle lieben ihn“, sagt ganz ohne Neid ein Künstlerkollege, der selber erfolgreich ist und in Los Angeles nicht das kleinste aller Ateliers betreibt, es würde aber trotzdem zehn bis zwanzig Mal in das von Ruby passen. Der mache eben große Skulpturen, die ein bisschen gute, alte Materialität zurückbrächten in unsere Internetwelt.

Andere hingegen finden dies und jenes eher fraglich. Ob Ruby zum Beispiel von der New York Times nicht ein bisschen voreilig zum interessantesten Künstler emporgejubelt wurde, den dieses Jahrhundert hervorgebracht habe. Und ob Kunst wirklich groß sein muss, um große Kunst zu sein. Und so teuer. Und dann auch noch so viel davon.

Size does matter, Größe spielt eben doch eine Rolle, das erkennt man im Kunstbetrieb immer daran, wie vehement das Gegenteil beteuert wird. Denn das ist ein Betrieb, der zu betriebswirtschaftlichen Faktoren wie Wachstum und Gewinn ein gespaltenes Verhältnis hat. Aber es ist nun einmal ein Betrieb, es gibt Betriebsgelände und Werkhallen, und in der von Sterling Ruby wird Montags bis Freitags von 9 bis 17 Uhr fabriziert wie in all den anderen Betrieben von Vernon auch.

Die schwarz angemalte Fassade ist schon deswegen nicht zu verfehlen, weil man zuvor ein Foto davon geschickt bekommen hat. Chanel von Habsburg-Lothringen schrieb, der Besucher möge sich neben dem Hauptauslieferungstor auf die Behindertenparkplätzen stellen, und das ist immerhin auch kein ganz unbekannter Name: Die Frau betreibt in Los Angeles den Ausstellungsraum „The Embassy“. Ihr Geld verdient sie aber, offensichtlich, im Studio Ruby. Gemessen an der Zahl derer, die im Email-Verkehr zur Vorbereitung dieses Besuchs sonst noch alles in CC auftauchten, ist es fast schon verblüffend, zu hören, dass in der Regel nicht mehr als zehn Leute in Vollzeit für ihn arbeiten, fünf in der Produktion, fünf im Büro, darunter eine Archivarin. Großkünstler der Generation von Gerhard Richter hatten noch sparsamer besetzte Vorzimmer. Aber selbst in der Generation von Ruby, er ist Jahrgang 1972, gibt es wahrscheinlich nicht viele, die zu all dem auch noch einen Publicist beschäftigen. Publicists sind die Art von Wachhunden, mit denen es zu tun kriegt, wer einen Hollywood-Star interviewen will. Der von Ruby sitzt allerdings in New York und ist darauf spezialisiert, Modeblogger an die Kandare zu nehmen. Die Times hat ihn einmal mit den Worten zitiert, dass er lieber unbeliebt sei, als ein unvorteilhafte Geschichten über seine Kunden zu lesen.

Ist eine dringlichere Einladung denkbar, eine sehr, sehr unvorteilhafte Geschichte über den Künstler Sterling Ruby zu schreiben?

Dann jedoch wiederum: Wieso eigentlich? Wir sind immerhin in Kalifornien. An der Tür holt einen der irrsinnig nette Assistent Tyler ab und bietet Getränke an, und schon im zweiten Raum wartet der Hausherr persönlich und gibt sich auf geradezu entwaffnende Weise einnehmend. Herzlicher Händedruck, durchsonntes Lächeln. Der große Strohhut auf seinem Kopf? Wegen der Sonne. Er habe heute im Hof zu tun. Er ist dem Besucher also entgegengelaufen, das ist natürlich nett. Wie kommt es, dass einem wegen so etwas die diplomatischen Riten des spanischen Hofzeremoniells in den Sinn kommen? Wegen der Sache mit Wien, wegen Rubens?

Der freundliche Tyler zieht sich wie ein diskreter Kammerdiener an dieser Stelle zurück. Ruby steht nun allein mit seinem Besucher in einer großen weißen Halle mit ein paar Collagen an den Wänden. Ja, das sei schon ein ganz schön großes Ding, sagt er fröhlich, früher eine Fahrzeugfabrik, vor vier Jahren gekauft, drei Jahre lang nach seinen Vorstellungen umgebaut, seit einem Jahr in Betrieb: „ein Atelier fürs Leben.“ Es klingt ein bisschen wie wenn die Surfer in Venice Beach über die Spezifikationen des idealen Bretts plaudern. Das mag daran liegen, dass Ruby nach alter Surfermanier unter seinem Strohhut auch noch ein Tuch um den Kopf gebunden trägt, ein sogenanntes Bandana. Dieses Bandana zusammen mit seinen langen Haaren und einer eher fein geschnitten Dreitagebartsphysiognomie ließe ihn zugleich jeden Ähnlichkeitswettbewerb mit dem Schriftsteller David Foster-Wallace gewinnen. Im selben Moment führt einem der Rest seines Aufzugs wiederum die Jeansmode zum Zeitpunkt des Mauerfalls in Berlin vor Augen. Ruby trägt einen Overall, der dermaßen radikal ins Gorgonzolahafte entfärbt wurde, dass die Hälfte der damaligen DDR-Bevölkerung ihr Begrüßungsgeld dafür hingelegt hätte. Schon der Anblick des Künstlers ist mit anderen Worten von beträchtlicher Komplexität.

Ruby bittet in die Halle mit der Textilproduktion. In der Mitte, zwischen Ozeanen aus Fetzen und Flicken thront eine Näherin über dem surrenden Maschinchen und lächelt beschäftigt. An der Wand wiederum stapeln sich die Stoffrollen, aus denen Rubys große Sack-Skulpturen gemacht werden. „Wir kaufen oft en masse “. Vom Vorrat her zu urteilen, wird es noch eine ganze Menge Arbeiten von ihm geben, die in den Farben einer modifizierten amerikanischen Nationalflagge gehalten sind. Hier gehe es autobiografisch zu, sagt er.

Geboren auf einer Basis der U.S.-Streitkräfte in Bitburg, Westdeutschland, aufgewachsen aber im ländlichen Pennsylvania, die Mutter war eine Schneiderin, die Großmutter auch, und in der Gegend lebten Amish-People, eine christliche Sekte, die so tut, als seien die Uhren um 1820 herum stehen geblieben. „Die einzigen Bilder, die wir hatten, waren Textilien, Kunsthandwerk.“ Er spricht kurz über die Modeklasse am Dessauer Bauhaus und die große amerikanische Tradition der Patchwork-Tagesdecke, dann sind wir schon bei der Modelinie, die er zusammen mit dem Designer Raf Simons entworfen hat. „Mein bester Freund.“ (Von dem hat er übrigens auch die Marotte mit dem PR-Agenten.)

Die Sachen an den Kleiderstangen sind fast allesamt aus dem blauschimmelig gewaschenen Jeans-Stoff, der in den Achtzigern im Osten so populär war und es jetzt vor allem unter schwarzen Teenagern in den USA gerade wieder wird. Manche Teile sehen aus wie weiß bekleckerte Malerkittel, nur dass der Effekt auf dem umgekehrten Weg entsteht. Dazu kommen meistens ein paar neonbunte Streifenbündchen. So wie Ruby es darstellt, ging es ihm nur um Arbeitskleidung für sich selbst. Erst der belgische Couturier habe gedrängt, aus den Unikaten Mode zu machen… Wenn wir den Rest noch sehen wollen, dürfen wir uns allerdings nicht hier schon verplaudern. Ruby will weiter.

Nächster Saal: Die Auslieferung. Zwischen versandfertig gepackten Kisten von monumentaler Größe hockt ein Fotograf, während Assistenten eine kleinere Collage hin und her drapieren. Dies sei Robert, sagt Ruby. (Mit Nachnamen Wedemeyer.) Robert komme einmal pro Woche und fotografiere durch, was wieder alles so fertig geworden ist. Aufgrund der Fotos entscheide Ruby dann, ob es wirklich fertig ist. Oder noch mal in die Produktion zurück muss. Oder in den Müll. Das Verfahren verrät eine verblüffend konsequente Einsicht in die Art, wie Kunst heute konsumiert wird: Das Original wird in einer Sammlung verstaut, vielleicht mal in einem Museum gezeigt, sein eigentliches Leben und Wirken findet aber in der Abbildung statt, als kleinformatiges Foto, oft nur auf Smartphone-Größe. „Ich habe Kunst auch zuerst in Büchern angeschaut, nicht in Galerien“, sagt Ruby. Beim Durchklicken seines Foto-Archivs wisse er außerdem, wann mal wieder genug Material für ein Buch beisammen ist oder eine Ausstellung. Der Ausstoß will ja regelmäßig portioniert und auf die geeigneten Paletten gepackt sein.

Das U-Boot zum Beispiel. Im Hof steht noch das Walfischgerippe eines Atom-U-Boots aus den Siebzigern, das Ruby auf einem Schrottplatz in der Nachbarschaft gekauft und mit seinen Leuten in Stücke gesägt hat. Ruby haut mit der Hand gegen das schwarze Metall. „Da hol ich noch ein oder zwei Skulpturen raus, dann ist das abgeschlossen.“

Anders ist das mit den Keramik-Bassins. Wir sind nun über den Hof in den nächsten Gebäudekomplex gegangen, das Department für gebrannten Ton. Hier entstehen die aschenbecherartigen Skulpturen, die gleichzeitig aber auch etwas von Mörsern, Taufbecken eingelegten Antipasti haben. Die Serie gehört zu Rubys erfolgreichsten, da geht noch mehr. „Ob etwas zu Ende geht, merke ich daran, dass es in etwas anderes mündet, das mich noch mehr begeistert. Das ist sicherlich manisches Benehmen, aber für mich funktioniert das so.“

Auf sein manisches Wesen kommt Ruby recht oft und unverblümt zu sprechen.

Es ist aber auch mit Händen zu greifen. In der Halle mit dem Depot etwa, wo man erfährt: „Die Hälfte meiner Sachen sammle ich selber.“ Dann habe er sie gleich da, wann immer er eine Ausstellung machen will und muss nicht erst seine Sammler um Ausleihe bitten. Oder vor den Spray-Paintings. Riesenleinwänden, die mit der Sprühdose eingefärbt wurden, bis alles dem Smog gleicht, der sich oft wie pinkfarbene Zuckerwatte über die Konfliktlinien von Los Angeles legt. Manche Leute zahlen auf Auktionen bis zu einer halben Million Dollar für solche Bilder.

Ruby sagt, er finde schon die Frage nach seinem Erfolg auf dem Kunstmarkt im Grunde ungehörig. Das sagt er im übrigen, ohne dass man so eine Frage überhaupt gestellt hätte, sozusagen aus präventiver Genervtheit heraus. Der Erfolg sei im Prinzip nur dazu da, die Produktion von noch mehr Kunst zu ermöglichen.

Man merkt etwas von dieser Sucht nach Action auch in der Halle mit den Polyurethan-Quadern, die jede Ausstellung über Minimal Art zieren würden – wenn Ruby nicht während der Herstellung noch Farbe in den erstarrenden Kunststoff gegossen hätte, die in darin jetzt herumzuckt als handele es sich um in Eisblöcken gefangene Feuerquallen. Titel der Serie: „ACTS“, das steht für „Absolute Contempt for Total Serenity“. Absolute Verachtung für totale Ruhe.

Sie haben es grundsätzlich nicht so mit Minimalismus, Sparsamkeit, subtiler Stille, Herr Ruby? „Yeah, kein Zweifel!“

Es gibt selbstverständlich auch ein Filmstudio.

„Im Moment spiele ich wahnsinnig viel Schlagzeug – für eine Serie von Videos, an der wir arbeiten.“

Und es gibt einen Konferenzsaal, wo er einem Kaffee in kleine Keramiktassen gießt.

Hübsche Tassen.

Danke, sagt Ruby. „Haben wir vor kurzem selber hergestellt.“

An diesem Konferenztisch nun, vor einem selbstgemachten Tässchen Kaffee, erscheint das ganze mindestens mittelständische Unternehmen des Künstlers Sterling Ruby auf einmal vor allem als maßgeschneiderte Antwort auf eine seelische Veranlagung, die in früheren Jahrhunderten als „saturnisches Gemüt“ bezeichnet wurde und geradezu als Voraussetzung des Künstlertums. Ruby spricht nur in der Sprache des 21. Jahrhunderts einfach davon, dass er „in erster Linie bipolar“ sei.

War Kunst also zunächst einmal Kanalisierung der Manie und gleichzeitig Rettung vor der dunklen Kehrseite davon?

Er würde das heute so sehen, sagt er. Und als Flucht vor einer Umgebung, die er gehasst habe. Vor einer Kindheit in der amerikanischen Provinz unter Farmerskindern, die selber Farmer werden würden, eher traditionelle Vorstellungen von den Geschlechterrollen hatten und die im Zweifel mit der Faust durchsetzten. Vor den Jobs als Bauarbeiter in Washington D.C., dem Schlafen im Auto, noch so einer deprimierende Welt aus viel Muskeln, wenig Muse. Was half, war der Zeichenunterricht in Cleveland, schließlich ein Kunststudium in Chicago, der Nebenjob in einer der weltgrößten Bibliotheken von Kunstvideos und das beflissene Lesen von Derrida und Deleuze und all den anderen französischen Theoriegöttern, deren Zitate speziell für amerikanische Künstler so berufstypisch und unverzichtbar sind wie der warme Weißwein bei der Vernissage.

Und dann nimmt ihn eine Freundin, die Kunsttherapie studiert, mit zu einem Töpferkurs. Er findet das erst „zu einfach“, Traumatherapie durch Tonkneten. Aber die Freude am Handfesten schlägt alle postmoderne Franzosentheorie. Ruby geht nach Los Angeles, „weil das Pathologische von Südkalifornien gut zu mir passt.“ Und er wird Lehrassistent des großen Mike Kelley, der ihn in die praktischen Kniffe des Kunstbetriebs einweist.

Mike Kelley, der ebenfalls bipolar war, hat sich 2012 das Leben genommen.

Das gleiche tat vier Jahre davor David Foster-Wallace, dem Ruby wirklich dermaßen gleicht, dass man eine bewusste Stilisierung vermuten muss.

Der sei tatsächlich sein Lieblingsschriftsteller gewesen, sagt Ruby. „Ich weiß auch nicht, warum die Leute, die ich am meisten mochte, die gleiche mentale Konstitution hatten wie ich.“

Muss man sich also um ihn Sorgen machen?

Eben davor schützt ihn, sagt er, die straffe Struktur, die er sich hier aufgebaut hat. Familie, drei Kinder, das Atelier, die Mitarbeiter, die vielen gleichzeitigen Projekte, der Betrieb, der, einmal ins Laufen gebracht, eben offenbar auch über die Täler der Depression hinweg trägt. Und wer sich am Ende eines atemberaubenden Treppaufgespringes von Galerie zu Galerie bis zum Power-Kunstvertrieb von Larry Gagosian gebracht hat, ist verpflichtet, ordentlich abzuliefern und all die anderen Galerien zwischen L.A. und Tokio darüber nicht zu vergessen. Ansehen kann man diese Löcher Rubys Kunstproduktion jedenfalls kaum, auch wenn die im Einzelnen oft vage um die Themen Kampf, Konfrontation, Konflikt kreiseln.

Und deshalb lässt ein Kurator vom Belvedere Museum in Wien jetzt Sterling Ruby seine Arbeiten das barocke Stadtpalais von Prinz Eugen hängen, der ein bedeutender Feldherr war und ein zumindest nicht unbedeutender Kunstsammler. Es läuft tatsächlich auf die Frage hinaus, ob Ruby dahin passt, wo eigentlich Rubens zu Hause ist.

Es ist der Job eines Kurators, kühne Assoziationen zu haben.

Das Perfide ist, dass man dann kaum wieder aufhören kann, Parallelen zu sehen.

Der Ort, dem die Kunstfabrik von Sterling Ruby in Vernon, California, auf dieser Welt am meisten ähnelt, ist tatsächlich das Rubens-Haus in Antwerpen, wo einst ebenfalls Heerscharen von spezialisierten Gehilfen unter den Anweisungen eines absolutistisch herrschenden Meisters an der Massenfabrikation von Daseinsverherrlichungen arbeiteten, die ja immer auch – Vanitas! – der epochentypischen Angst vor dem jähen Ende entsprangen.

Die Frage ist dann nicht nur, inwieweit Ruby ein barocker Künstler ist, wenn man in Betracht zieht, dass auch „Barock“ zunächst einmal ein Schmähwort war für das Üppige, Überbordende, den Einbruch von Niedrigem ins Hohe (Stichwort Kochtöpfe), und den pausbackig posaunenden Horror vacui, für die in unseren Museen bis heute meistens die Rubens-Säle stehen, die vielen ja auch oft schlicht „zu viel“ sind, selbst wenn sie zugeben müssen, dass es „im Einzelnen“ schon ziemlich gut ist. Und auch ziemlich gut gelaunt.

Die Frage ist dann nämlich, inwieweit wiederum Rubens als ein Ruby des 17. Jahrhunderts betrachtet werden kann. Als umtriebiger Sozialaufsteiger mit fürstlichem Autonomiestreben, als Liebling der Höfe und des Geldes, und nicht zuletzt als entwaffnende Erscheinung, denn sonst hätte er nicht zu seinem Nebenjob als Diplomat getaugt.

Der Unterschied liegt natürlich auf der Hand: Wirklicher Barock haut einem mit Wucht bestimmte Botschaften in die Augen, und wenn es das Lob der Kriegskunst ist, wie Prinz Eugen sie betrieb. Rubys Arbeiten hauen einem mit Wucht exakt keine einzige bestimmte Botschaft irgendwohin, denn das Kennzeichen von durchsetzungsfähiger Kunst heute ist die Vagheit ihrer Allusionen.

Ruby sagt, er sei vor allem gespannt, wie seine krassen Neonfarben sich mit dem verblichenen Gold der alten Wandteppiche in Wien vertragen. Er will es vor Ort beim Hängen herausfinden. Was immer das dann für die nächste Kollektion mit Raf Simons bedeuten mag.

Und dann muss er los. Denn vor dem Trip nach Wien gibt noch genug zu tun in Vernon. Nächste Woche kommt wieder der Fotograf zur Endkontrolle, und der will dann was zum Fotografieren haben.

(c) PETER RICHTER

Eine Version dieses Textes erschien zuerst am 9.7.2016 auf der SEITE DREI der Süddeutschen Zeitung