Warm Duschen: Sechs Feldpostkarten aus den USA.

Der Frieden

Es gibt Leute, die sagen, der „Rocky Mountain Shooters Supply“ im schönen Fort Collins, Colorado, gehört zu den sichersten Orten auf der Erde. Über der Tür steht Guns – Guns – Guns. Und drinnen gibt es: Guns, Guns, Guns. Pistolen, Gewehre, Flinten, Büchsen, Knarren, Schießprügel, Bleispritzen und Wummen. Von der fast nicht mehr sichtbaren Damenkanone zum hinters Strumpfband klemmen bis zur Clint Eastwood-Gedenk-Magnum. Es trägt auch jeder eine am Gürtel. Wenn hier einer auf die Idee käme, Ärger zu machen, hätte der sehr schnell sehr viele Löcher.

Der Umgangston ist von einer Liebenswürdigkeit, die auf den ersten Blick nicht recht zum Ambiente passt, auf den zweiten Blick dann allerdings schon. What’s up, Darling? Ein Kasten Patronen? Sure, honey! An Orten wie diesen wird auf einmal begreiflich, warum man manchmal von entwaffnender Freundlichkeit spricht.

Die weltberühmte Nettigkeit der Amerikaner gehört ja nun einmal nicht zu den Dingen, die einem auf dem internationalen Flughafen von New York als erstes auffallen würden, schon gar nicht bei der Passkontrolle, die allerdings auch oft genug von eben selber erst eingewanderten Osteuropäern durchgeführt wird. Hier gibt es dafür auch keine Notwendigkeit. Aber mit jedem Meter westlich von New York nimmt die Freundlichkeit zu; die Zahl der Waffengeschäfte allerdings auch. Das macht die Freundlichkeit nicht weniger erfreulich, und das bedeutet nicht, dass sie nicht von Herzen käme. Da, im Herzen, wohnt aber nun einmal auch die Angst.

Im schönen Fort Collins, Colorado, einer Stadt, die berühmt ist für ihre Brauereien, ihre Universität und ihre Lebensqualität für Freunde der Bergwelt, lassen die Leute ihre Häuser ohne Bedenken offen stehen. Sie können sich hier darauf verlassen, dass einer schon sehr, sehr lebensmüde sein muss, um fremder Leute Grundstück zu betreten.

Wenn Jugendliche unter solchen Umständen „Garage Hopping“ spielen, wenn sie also als Mutprobe in fremden Garagen herumstöbern, dann ist das wie russisches Roulette. Zwei Bundesstaaten weiter nördlich, in Montana, ist nun ein Austauschschüler aus Hamburg in einer fremden Garage erschossen worden. Die Bundesrepublik ist fassungslos, in Amerika wird der Fall eher als tragische Überreaktion aufgefasst. „My home is my castle“ ist in Europa aber auch eher ein Spruch fürs Sofakissen, im amerikanischen Westen ist es eine Rechtsdoktrin, die im Zweifel den Einsatz von Kanonen erlaubt.

Vergangenes Jahr hatte eine Elektronikfirma hier ein Schild ihrer Tür angebracht: Bitte im Betrieb keine Waffen tragen, für die Sicherheit sei ab sofort durch Überwachungskameras gesorgt.

Bodenlose Empörung bei den Mitarbeitern: „Die wollen auch noch filmen, wie wir erschossen werden?“

Eine Autostunde südlich, in Aurora, steht das Kino, wo 2012 ein Mann im Batman-Kostüm mit einem Sturmgewehr 12 Leute getötet und 70 verletzt hat. Solche Dinge sprechen hier eher dafür, eine Waffe zu tragen, als dagegen: Wenn dies in dem Kino nicht verboten gewesen wäre, könnten womöglich ein paar von den 12 noch leben.

Das ist nicht nur die Logik der Waffenlobby. So reden hier auch Leute, die Obama wählen und sich der Legalisierung von Marihuana erfreuen. Wenn Europäer so etwas hören, greifen sie sich in der Regel an den Kopf. Wenn Amerikaner das mitbekommen, winken sie in der Regel müde ab: Europäer.

Nicht dass ihnen Europa nichts bedeuten würde hier. Man kann mit dem Wort gut Autos verkaufen, die ansonsten als zu klein und zu teuer auf dem Hof stehen bleiben würden. Gebrauchtwagenhändler haben deshalb gerne irgendetwas mit Europa im Namen. Auch der berühmte Skiort Vail wird als „European Style“ vermarktet. Die Häuser sollen an Burgen und Schlösser erinnern; die Einheimischen sagen allerdings, das europäischste an Vail sei die Tatsache, dass es teuer ist und keine Parkplätze gibt.

 

 

Die Freiheit

Das ist Europa von hier aus: Teuer und kompliziert, ein Synonym für Luxusgüter und Lebensart; für wehrhafte Männlichkeit steht es eher nicht. Das römische Reich zu seiner Zerfallszeit hat bei den Germanen ein ähnliches Standing gehabt.

Europa ist das, wofür in der auf Netflix sehr beliebten Fernsehserie „Lillyhammer“ das freundliche Norwegen steht: ein betuliches Sozialstaatsparadies, wo sogar die Bürgerwehr so lieb und pazifistisch ist, dass ihr die Rowdies auf der Nase herumtanzen. Ein New Yorker Ex-Mafiosi, den es hierhin verschlagen hat, muss dann in jeder Folge die Dinge mit der amerikanischen Pragmatik von Gewaltandrohungen wieder zum Rechten zu biegen.

„Why are Europeans so weak and wimpy?“ hieß es mal in einer Kolumne von Daniel Pipes, einem konservativen Publizisten: Warum sind Europäer so schwach und so … tja, was genau heißt noch mal wimpy?

Ein wimp ist ein Warmduscher. Ein Weichei. Oder halt ein Europäer.

Europäer sind diejenigen, die Amerikanern erzählen, sie sollen die Zahnpasta wieder in die Tube zurückfummeln und die Waffen verbieten, wo in diesem Land jetzt schon mehr Waffen in Umlauf sind als Menschen.

Europäer sind auch diejenigen, die reflexhaft annehmen, dass diese Waffen allesamt hirnschwachen Hinterwäldlern gehören, und dass hingegen ein jüdischer Ostküstenintellektueller wie Dan Baum, Brillenträger, Glatzenträger, Autor beim feinsinnigen „New Yorker“, eher nicht zu den „Gun Guys“ gehören kann. Tut er aber. Und er hat auch einen Bestseller darüber geschrieben, in dem es unter anderem darum geht, wie disziplinierend Waffen im Straßenverkehr wirken. „Road Rage“, das auf Europas Straßen gängige Gedrängel, Gehupe und Gerase, ist in Amerika ohnehin verpönt, denn man kann nicht gut Kaffee trinken und Burger essen dabei. Wer aber eine Pistole auf dem Beifahrersitz liegen hat, fährt noch einmal eine ganze Spur defensiver; der weiß einfach um die Konsequenzen.

Der Europäer überholt nun auch nicht mehr so unbeschwert, seit ihm bewusst gemacht wurde, dass jeder, der sich versägt fühlt, im Prinzip zur Waffe greifen kann. Und wer weiß, wie umstandslos amerikanische Polizisten schießen, der neigt dazu, sie unbedingt ernst zu nehmen. Man kann nicht sagen, dass das nicht wunderbar funktionieren würde. Das Leben in den kleinen Landstädten da draußen im Westen ist im allgemeinen friedlicher als im rempeligen Europa. Dem Europäer wird halt manchmal nur ein bisschen mulmig beim Gedanken an die Grundlagen: ein auf jeden Einzelnen verteiltes Gewaltmonopol, ein Supergleichgewicht des Schreckens. Wenn ihm so die wahren Dimensionen Amerikas bewusst werden, dann steht er doch ein wenig wimpy in der Weite.

 

 

Die Härte

Das tut er übrigens in New York auch, dort zeigen sie es ihm nur subtiler. Weil die New Yorker für amerikanische Maßstäbe spektakulär unfreundlich sind und gleichzeitig das restriktivste Waffengesetz im Lande haben, heißt das noch nicht, dass Europäer sich deswegen wie zu Hause fühlen dürften.

Beispiel: Die Vernissage war, wie die meisten Vernissagen, am Donnerstag von „6 – 8 pm“. Die Galerie lag im Meatpacking District. Der Künstler war aus Berlin. Das Publikum zur Hälfte auch. Danach das Dinner. „8 bis 10 pm“ – auch dies wie immer. Die Europäer erkannte man daran, dass sie dauernd raus rannten zum Rauchen. Und noch viel zuverlässiger erkannte man sie daran, dass sie um zehn noch nicht nach Hause wollten.

Weiterziehen mochten sie, ausgehen, so jung käme man nicht wieder zusammen, nach Tribeca am besten, der Bruder von Chloe Sevigny hat da einen neuen Nachtclub, darüber rede man sogar in Berlin… (Was man dort leider nicht weiß: Es ist ein Club, in dem Musik läuft, die in Europa vor 25 Jahren mal aktuell war: „The Power“ von Snap!, sogenannter Euro-Dance.) Große Aufgekratztheit; wer kommt mit?

Sie hätten genauso gut vorschlagen können, mit einer Fahrrad-Rikscha den Times Square zu besichtigen oder bei einem Hütchenspieler ihr Glück zu versuchen oder was Touristen sonst so an Dummheiten einfällt in der großen wilden Stadt. Entsetzte Blicke, dann Hohngelächter von den Ortsansässigen: Dies ist New York, Leute, wir müssen früh raus, ihr habt keine Ahnung, wie es hier zur Sache geht.

Es gibt Städte, die einen gewissen Stolz daraus beziehen, wie spät es dort werden kann. Madrid wäre so ein Beispiel, wo sich die Restaurants erst füllen, wenn die New Yorker in die Heia müssen. Oder eben Berlin, wo Wochenende für viele auch heute noch die Zeit von Donnerstag bis Dienstag meint. In New York bilden sie sich viel darauf ein, wie früh sie rausmüssen. Mit so etwas brüstet sich in Europa eigentlich nur das Bundesland Sachsen-Anhalt: Willkommen im Land der Frühaufsteher. Steht da an den Autobahnen. Magdeburg ist deswegen trotzdem nicht New York, New York kann aber nach zehn Uhr abends überraschend Magdeburg sein.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: New York HAT natürlich ein dröhnendes Nachtleben, man KÖNNTE es jeden Tag in der Woche krachen lassen. Es GIBT auch genug Leute, die das tun, und nicht alle davon sind Touristen. Aber wahre Ortsansässigkeit zeigt sich darin, dafür eigentlich keine Zeit zu haben. Wahre Zugehörigkeit zeigt sich an der grimmige Freude darüber, wie zeitig man, mit einem Pappkaffee in der Hand, am anderen Tag wieder in die Schlacht ziehen muss: Morgendstund hat Dollar im Mund. Das Ausgehen muss man sich verdienen, und wer mit ihnen ausgeht, der erfährt dann, Haupt- und Kerngesprächsthema, wie hart sie tagsüber arbeiten. Das rechtfertigt, entsprechend hart zu feiern. Und hart ist ein wichtiges Wort in Amerika, vielleicht das wichtigste von allen. Hart ist das Leben, hart sind die Drinks, und gefeiert wird damit die Herrlichkeit der Härte selbst. Europäer haben Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und fünf Wochen Urlaub, Europäer wollen mitten in der Woche ausgehen, jammern dann aber, wenn das Bierchen 12 Dollar kostet: Europäer sind nicht hart; Europäer sind wimpy.

 

 

Die Kleinigkeiten

Wenn sie zusätzlich auch noch feinfühlig genug sind, dann sehen sie das irgendwann an jeder Ecke, in jeder Lebenslage, in jedem Milieu, an der kleinsten Kleinigkeit.

Sie freuen sich natürlich, wenn eine Kellnerin sie anstrahlt und sagt, „Hi, ich bin Kathy“, und wenn Kathy die Specials des Tages aufsagt, als wolle sie auf der Stelle ungezügelten Sex. Wer, bitte, vermisst in solchen Momenten die feindseligen Ober von Paris oder Wien, wer die schusselnden Studentinnen Hamburgs? Sie wundern sich nur, wenn Kathy nach einer Stunde ungemütlich wird, halbvolle Teller wegzieht, schon mal die Rechnung hinlegt, auf der die empfohlenen Beträge für das Trinkgeld vorsichtshalber vorgerechnet und von ihr mit rotem Stift umkringelt worden sind: 20, 25, 30%. Europäer gelten als knauserige Gäste – so als ob die sich einfach nicht vorstellen könnten, dass hier Menschen ohne Bezahlung arbeiten und tatsächlich nur von den Krumen leben, die man ihnen auf dem Tisch liegen lässt.

Oder sie sitzen in der Carnegie Hall und staunen, dass New Yorks Reiche bei Philharmoniekonzerten die Winterjacken mit in den Saal nehmen wie in einem Kino. Die Bühnenarbeiter der Carnegie Hall verdienen bis zu 600 000 Dollar im Jahr, denn gegen deren Gewerkschaft ist Ver.di ein Witz. Aber den Latinos und Schwarzen an der Garderobe vertraut man seinen Pelzmantel lieber nicht an.

Oder sie belächeln, dass in den Museen hier jeder Raum, jede Bank, jede Klotür einen Sponsoren-Namen trägt. The Edith and Walter Superrich Restrooms. Edith und Walter wiederum würden Museen belächeln, die sich mager vom Staat aushalten lassen.

Oder sie lernen einen Banker kennen, nicht den Wolf der Wall Street, aber doch reich genug für ein Haus in Connecticut, wo die Steuern günstiger sind als im Staat New York, und lassen sich die Badezimmer vorzählen. Denn entscheidend ist in den USA nicht die Zahl der Schlafzimmer, sondern die der Klobecken. Es sind ordentlich viele, das Haus taugt was, sieht auch schön aus, neu, aber im Kolonialstil, im Car Port stehen SUVs aus Deutschland, alles ist soweit perfekt, nur der Vierjährige macht den Eltern Sorgen. Er träumt so gern, er rauft so wenig.

„Ich werde ihn zum Sport zwingen müssen“, sagt der Vater mit Bedauern, „sonst wird er es schwer haben in der Schule.“

In den Villenvororten Neuenglands gehört dem Sport das Wochenende wie anderswo der Kirche. Die Wall Street-Väter sitzen dann an den Seitenlinien und sehen zu, dass ihre Kinder früh genug das einüben, was sie für das Entscheidende halten: den Wettkampf. Und das Gewinnen.

 

Die Gewalt

Oder sie schauen sich Sport im Fernsehen an, die Europäer in Amerika. Wegen der Zeitverschiebung sind Sports Bars, die die Champions League zeigen, um zwei Uhr nachmittags bumsvoll mit Deutschen, Franzosen, Spaniern, Briten. Die Amerikaner zapfen ihnen gerne Bier. Ein Haufen wimps, die sich etwas anschauen, was hier immer noch eher als Frauensportart gilt: Das ist nicht das Ideal einer American Sports Bar, aber als Nachmittagsgeschäft ist es okay. Nach Feierabend kommen dann aber die richtigen Männer und brauchen die Plätze. Fußball raus, Football rein: Gepanzerte Körper krachen auf einander, Strategen mit Klemmbrettchen stehen am Rand und befehligen ihre Armeen. Das einzige, was ein paar Fans der New York Giants neulich in einer Bar in Brooklyn an europäischem Fußball bemerkenswert fanden, waren Hooligans. Schlägereien im Stadion? Crazy shit, man! Gibt es in Amerika nicht.

Kann es auch nicht geben. Erstens findet die Gewalt beim Football und auch bei der hier Eishockey genannten Kreuzung aus Eishockey und Boxen bereits auf dem Platz statt, als Teil des Spektakels. Zweitens: Waffen. Drittens: Das Leben ist selber jeden Tag ein Kampf.

Hooligans sind, mit anderen Worten, der finale Ausdruck europäischer Weicheierigkeit.

Das hätte man zuhause im Stadion vielleicht noch nicht so gedacht, aber auch für solche Erkenntnisse darf der Europäer sich bei Amerika bedanken

Das darf er im übrigen häufig.

 

Der Ernstfall

Der Europäer hat zum Beispiel meistens auch schon mal scharf geschossen in seinem Leben, bei der Armee zum Beispiel oder im vormilitärischen Unterricht der Schulen in der DDR. Und er würde auch ganz gern mal wissen, was die eigentlich so taugen, die Produkte der Firmen Walther und Mauser und Sauer und Heckler & Koch, um jetzt nur mal ein paar deutsche zu nennen. Denn der Europäer steht im Waffenladen immer auch vor Produkten von zu Hause. Die sehr freundlichen Menschen im „Rocky Mountain Shooters Supply“ geben ihm dann Ohrenschützer und eine Plastikbrille. Er hat die Wahl zwischen Schießscheiben mit Kreisen darauf und solchen mit Zombies, Comicfiguren oder auch echten Menschen. Beim Betreten der Shooting Range im Hinterraum fliegen ihm heiße Patronenhülsen um die Ohren. Der Pfarrer und der Landarzt knieen da mit einer Flinte, eine Mutter unterweist ihre Achtjährige, ein junger Mann schießt auf einen Geiselnehmer (Plakatmotiv, der Geiselnehmer sieht nicht gut aus danach; die Geisel leider auch nicht.) Die Patronen ins Magazin drücken, das Magazin in die Pistole, entsichern, zielen, Finger krumm machen – was immer ein bisschen Überwindung kostet. Denn das hier ist keine Schießbude für Luftgewehre, das hier ist the real thing, das hier ist ernst, hier könnte, wenn einer Dummheiten macht, sofort alles vorbei sein. Man wird sehr ruhig dabei, und das Herz schlägt ein bisschen schneller.

 

 

Der Forscher

Von dem Historiker Wolfgang Schivelbusch stammt die brauchbarste Widerlegung der gängigen Behauptung, dieses oder jenes könne man nicht vergleichen. Natürlich kann man, denn vergleichen heißt nicht gleichsetzen, sondern Unterschiede erkennen.

Schivelbusch schaut aus einem Hochhaus in Downtown Manhattan auf die Welt, er kam in den Siebzigerjahren hierher, um zu forschen und seine Bücher zu schreiben. Und „um der verschweizerten Bundesrepublik zu entfliehen“. Er hat seitdem viele kommen gesehen, die raus wollten aus den lauwarmen Verhältnissen Europas, rein in die klare, dünne Luft Amerikas, wo das Leben noch riskant ist und Aggressivität ein Pluspunkt im Leistungsprofil. Die Gründe klingen oft ein bisschen wie die, aus denen die Abiturienten von 1914 mit Gesang in den Ersten Weltkrieg wollten. Seit sechzig Jahren hat sich für europamüde Europäer der Gang über den Atlantik als ganz gute Alternative bewährt.

Exakt dieser Tage packt Schivelbusch nun seine Bücher wieder zusammen; sein amerikanisches Abenteuer geht zu Ende, er zieht für den Frieden im Alter zurück nach Hause. Amerika, sagt er, war für seine Generation das Hochseil, Europa dagegen war stets das Netz; und schon dieses Netz überhaupt zu haben, ist, aus amerikanischer Sicht, natürlich „wimpy“ wie nur was. Aber, wer weiß, vielleicht wäre Amerika auch kein Abenteuer, sondern nur ein Albtraum, vielleicht fände man es gar nicht so erregend, sondern lediglich brutal, wenn man dieses Europa nicht in der Hinterhand hätte. Wo es eng ist, wo die Gewerkschaften aufs Urlaubsgeld pochen, wo nur die Polizisten Waffen tragen dürfen und die Jugendliche Unfug machen, ohne dass es ihnen gleich ans Leben geht.

Und, ja, auch dies: Wo Brüsseler Bürokraten gern Vorschriften zu allem und jedem erlassen. Das betrifft, ganz aktuell, übrigens auch den Energieverbrauch beim warmen Duschen.

 

Eine Variante dieses Textes erschien zuerst am 10./11. Mai 2014 auf der Seite Drei der Süddeutschen Zeitung

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