Letzter Ismus: Aktivismus

Jetzt haben sie in Paris nicht nur eine Ausstellung von der nächsten Documenta-Kuratorin. Jetzt wurde in Paris – so wie bei der letzten Documenta – kurz nach der Eröffnung auch eines der gezeigten Werke wieder entfernt. Die Kuratorin, die in zwei Jahren die Kasseler Großausstellung verantwortet, heißt Naomi Beckwith, ist am Guggenheim in New York beheimatet und gilt als diplomatisch. Die Ausstellung, die sie jetzt gemacht hat, findet im Palais de Tokyo statt, dem Ausstellungspalast mit dem jugendlichen Zwischennutzungscharme an der Seine. Das Exponat, das entfernt wurde, stammte von Cameron Rowland, Jahrgang 1988, ebenfalls in New York daheim, und es bestand aus einer Fahne.

Es handelte sich um die 2023 neu eingeführte Fahne von Martinique in der Karibik, einem Überseedepartement, das zu Frankreich und also der EU gehört. Diese Fahne ließ Rowland vor dem Palais de Tokyo aufhängen, anstelle der französischen. Titel: „Replacement“.

Das Gebäude ist sehr groß, die Fahne nicht; man könnte unterstellen, dass nur wenige davon Notiz genommen hätten, wenn das Ausstellungshaus auf einer Wandtafel und Rowlands Galerie auf Instagram jetzt nicht verkündet hätten, dass die Fahne an dieser Stelle nicht weiter gezeigt werde, weil das gegen französische Gesetze verstoßen könnte. Auch im Original steht da der Konjunktiv: könnte. Ein Verstoß gegen das strenge Gebot der Neutralität an öffentlichen Gebäuden war offenbar noch gar nicht beanstandet worden. Es gab bisher auch keine mit Kassel 2022 vergleichbare Aufregung. Es ging auch nicht um judenfeindliche Schmähbilder, sondern eben nur um die Fahne eines Überseedepartements, deren Aufhängung gegen Beflaggungsvorschriften verstoßen könnte. Et alors?

Der vollständige Text erschien am 6.11.2025 auf SZ.de und kann dort gelesen werden.