Dieser Essay erschien zuerst im Katalog der Ausstellung „Andrea Pichl – Wertewirtschaft“ im Hamburger Bahnhof, Nationalgalerie der Gegenwart, die bis 4.5.2025 läuft.
Wenn im Sprachgebrauch der DDR jemand des Snobismus bezichtigt werden sollte, geschah das zum Beispiel dadurch, dass es hieß, derjenige ließe sich am Ende sogar die SED-Zeitung Neues Deutschland für „Westgeld“ über Genex liefern. Das Image eines systemerhaltenden Dekadenzphänomens war dieser Außenhandelsfirma tief eingeschrieben, weil sie im Alltag den wahren Charakter der DDR als Zweiklassengesellschaft sichtbar machte: Der fundamentale Unterschied bestand zwischen denen mit Zugang zu „Westgeld“ und denen ohne.[1] Normatives Ziel war eine Gesellschaft ohne. Die Normalität war aber eine mit. Und der Unterschied zwischen beidem, also dem Normativen und dem, was am Ende als normal galt, scheint sich auch wie ein roter Faden des Interesses durch das Werk der Künstlerin Andrea Pichl zu ziehen.[2] Er rührt tatsächlich aus der Geschichte der Normierung, die zum seriellen Bauen führen wird – aber eben auch die Grundlage von Versandhäusern mit ihren Bestellkatalogen ist.[3]