Wie aus dem Westen

Bisschen was zur Dialektik von Genormtem, Seriellem und Ideologischem anhand der Arbeiten von Andrea Pichl

Dieser Essay erschien zuerst im Katalog der Ausstellung „Andrea Pichl – Wertewirtschaft“ im Hamburger Bahnhof, Nationalgalerie der Gegenwart, die bis 4.5.2025 läuft.

Wenn im Sprachgebrauch der DDR jemand des Snobismus bezichtigt werden sollte, geschah das zum Beispiel dadurch, dass es hieß, derjenige ließe sich am Ende sogar die SED-Zeitung Neues Deutschland für „Westgeld“ über Genex liefern. Das Image eines systemerhaltenden Dekadenzphänomens war dieser Außenhandelsfirma tief eingeschrieben, weil sie im Alltag den wahren Charakter der DDR als Zweiklassengesellschaft sichtbar machte: Der fundamentale Unterschied bestand zwischen denen mit Zugang zu „Westgeld“ und denen ohne.[1] Normatives Ziel war eine Gesellschaft ohne. Die Normalität war aber eine mit. Und der Unterschied zwischen beidem, also dem Normativen und dem, was am Ende als normal galt, scheint sich auch wie ein roter Faden des Interesses durch das Werk der Künstlerin Andrea Pichl zu ziehen.[2] Er rührt tatsächlich aus der Geschichte der Normierung, die zum seriellen Bauen führen wird – aber eben auch die Grundlage von Versandhäusern mit ihren Bestellkatalogen ist.[3]

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August

Hanser (2021)

Neuer Roman. Ab 19.4.2021

Sog. Humboldt-Forum

Über:Schloss-Sprengungen - Fassaden-Rekonstruktionen - Dialektik-Bäder

Die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses ist noch nicht eingeweiht, da fordert schon eine Initiative den Wiederabriss: „Schlosssprengung 2025“ will ein Plebiszit anstrengen, um die Replik der Hohenzollern-Residenz zum 75. Jahrestag der ersten Sprengung in der DDR erneut in die Luft zu jagen, nur diesmal demokratisch legitimiert. Die Initiatoren sprechen von Protest gegen ein „Monument des preußischen Militärstaats“. Die Trümmer würden sie Wilhelm von Boddien vors Gartentor schütten. Continue reading

Nackt im Freien

Über: Hamblings "Mary Wollstonecraft" - Garbatis "Medusa" - Gombrichs Essay zum "Eros" von Piccadilly Circus

Gleich zweimal hat es in den vergangenen Wochen Aufregung um Statuen gegeben, deren Aufstellung in der Öffentlichkeit erst als feministisch apostrophiert wurde, um unmittelbar darauf als sexistisch verdammt zu werden. Beide Male war Nacktheit das Problem. Von darüber hinausgehenden künstlerischen Werten war zunächst in beiden Fällen wenig zu hören, was in Anbetracht der Klasse der Arbeiten vielleicht auch nicht verwundert. Aber gerade die Heftigkeit der Reaktionen macht die Sachen am Ende auch noch kunsttheoretisch hochinteressant.

Was war passiert? Continue reading