Socialism?

Wer in sozialistischen Verhältnissen aufgewachsen ist, der erkennt sie wieder, wenn er welche vor sich hat.

Das beginnt in den Vereinigten Staaten, wie jeder USA-Reisende weiß, schon auf dem Flughafen, zum Beispiel auf dem John F. Kennedy International. Barack Obama wiederum, der nach Meinung seiner inländischen Kritiker den Sozialismus in den USA einführen will, obwohl seine Politik nach deutschem Parameter inhaltlich der FDP nahekommt: Er ist sicher der Letzte, der etwas dafür kann.

Wenn nämlich die Anschnallzeichen erloschen und die Taschen aus den Gepäckfächern entnommen sind, wenn den Flugbegleiterinnen und dem Kapitän Danke und Tschüss gesagt wurde, wenn nach acht Stunden das zugemüllte Grau des Flugzeugs verlassen werden darf, dann ist die Vorfreude auf die bunte, weite Welt der Freiheit, die jetzt vor einem liegt, in der Regel so groß, dass das, was dann kommt, immer wieder irritierend ist: das zugemüllte Grau des Flughafens.

Oder ist es ein verschmutztes Beige? Ein schal gewordenes Braun?

Ein urinfarbenes Mattgelb?

Der Westen hat vierzig Jahre lang gerätselt, wie er die Farbe des Ostblocks auf einen Begriff bringen soll. In den langen Gängen von JFK ist ebenfalls viel Zeit zum Überlegen, sehr viel Zeit sogar. Wer selber aus dem Osten stammt, hat jedes Mal ein Déjà-vu. Das ist nicht primär unangenehm. Es ist nur immer wieder – überraschend. Es ist zumindest bemerkenswert, dass man dafür nach New York fliegen muss. Weil es ja soviel Graubraunbeigegelb in Europa gar nicht mehr gibt. Am allerwenigsten übrigens in Osteuropa, wo Flughäfen heutzutage im Zweifel mit Blattgold überzogen sind. Keine ehemalige Sowjetrepublik dürfte sich heute einen Flughafen leisten, so vernachlässigt und marode wie JFK – Europas Pforte nach Amerika.

Von hier aus ist es dann ein weiter Weg bis zu den Lichtern vom Broadway, geschweige denen von Las Vegas. Und von hier aus ist es für den Menschen, der hier nicht Urlaub macht, sondern in diesem Land wohnen wird: eine Reise zurück durch die Nebel der Zeit, hinein in die 1980er-Jahre, nach, sagen wir: Dresden?

Ganz egal, was genau die Leute nun vor Augen haben, wenn sie ihr Handgepäck die trostlosen Gänge entlangzerren, einen Urlaub, ein Geschäft oder ein neues Leben – davor haben die US-Behörden die Hölle der Passkontrollen gesetzt, mitsamt ihrer Vorhölle, der aufgestauchten Warteschlange. In Deutschland gehen hierüber die Meinungen auseinander. Die einen sagen, dass die Passkontrolle nur mit Helmstedt vergleichbar sei, damals bei der Einreise in die DDR. Die anderen sagen auch DDR – aber: bei der Ausreise.

Das ist der andere Moment, in dem einen die Gespenster wieder heimsuchen: Plötzlich ist die Angst zurück. Plötzlich hat man es wieder mit einer Staatssicherheit zu tun, immerhin mit einer Staatsmacht, der berühmten und paranoid verehrten Homeland Security, einer unglamourösen Spielart der coolen Counter Terrorist Unit (CTU) aus der Serie „24“. Die Homeland Security tritt auf den Plan wie ein strenger, unberechenbar strafender Gott, unnahbar, erbarmungslos.

Augenblicklich: schlechtes Gewissen. Was, wenn das aus Versehen trotz all der Verbotsschilder bereits eingeschaltete Handy in der Tasche widerrechtlich klingelt? Was, wenn man aus Versehen auf dem Einreisevisum angekreuzt hat, dass man lebende Tiere importieren wird?

Ein officer nuschelt Befehle, die nicht zu verstehen, aber zu befolgen sind. Die Grenztruppen der DDR hatten den schikanösen Zusatzeffekt der Schwerverständlichkeit beim Herumbellen dadurch erzielt, dass sie immer einen von uns Sachsen nach vorne stellten. In den USA haben diese Aufgabe Einwanderer aus der Karibik oder, wie praktisch: dem Ostblock. Am Ende dann der lange, regungslose Blick in den Pass. Stimmt was nicht?

„Was genau wollen Sie in New York?“

In kürzester Zeit viel Geld loswerden.

Humor? Ganz schlecht. Ganz, ganz schlecht. Ewiges Sichanstarren.

Rechter Daumen, rechte vier Finger, linker Daumen, linke vier Finger, Fahndungsfoto, denn: Wisse, Freundchen, du bist nur auf Bewährung hier. Wir haben dich auf dem Kieker. Du wirst auf keinem Meter von unseren Kameras verschwinden. Bürgermeister Michael Bloomberg ist stolz auf sein neues flächendeckendes Überwachungssystem. Du kannst jederzeit von Polizisten angehalten und ohne Angabe von Gründen einer Leibesvisitation unterzogen werden. Aber wenn Du nichts zu verbergen hast, hast Du auch nichts zu befürchten und – ist es nicht herrlich? – deshalb wirst Du für Maßnahmen zu Deiner Sicherheit Verständnis haben, nicht wahr?

Verständnis vielleicht nicht. Aber sagen wir so: Etwas Schönes, nämlich eine gewisse Vertrautheit, ist da. Wenn man das alles aus den Jahren vor 1989 bereits kennt.

Man kann das nicht gleichsetzen? Man kann es aber vergleichen. Vergleichen ist das Gegenteil von gleichsetzen; es dient dazu, die Unterschiede zu sehen.

Es gibt auf dieser Welt mit Sicherheit kein System, das theoretisch weniger sozialistisch wäre als das der Vereinigten Staaten von Amerika. Es gibt kaum eine Stadt, die so vollumfänglich den Kapitalismus in seinem natürlichen Lebensumfeld – der freien Wildbahn – verkörpern würde wie New York.

Deshalb ist es frappierend, wie sich die Folgen an vielen Stellen gleichen. Oder, umgedreht: Wie ähnliche Symptome diametral entgegengesetzte Ursachen haben können, weil es offenbar das Phänomen gibt, dass sich manchmal die erbittertsten Gegner über die Jahre so ähnlich werden wie Herr und Hund.

Warum sollten die New Yorker Flughäfen überhaupt attraktiver sein wollen , moderner, gepflegter, besser in Schuss? Die Leute rennen der Stadt schließlich auch so die Türen ein. New York kann sich seiner Laufkundschaft gegenüber, weil es eben New York ist, gehen lassen wie ein kaputter Staatsbetrieb kurz vorm Exitus. Zur Not wird eben ein Schild hingestellt: „Please excuse our appearance.“

Umgekehrt dient Bloombergs autoritärer Kurs vor allem dazu, eine Stadt gerade auch in den ärmeren Vierteln überhaupt erst überlebbar zu machen, eine Stadt, in der stellenweise ja heute noch Faustrecht, Gangs und Waffengewalt regieren, also die Vulgärformen des offenen Wettbewerbs um Lebensrechte und Ressourcen.

Bloombergs Rückeroberung des Gewaltmonopols hat nur eben im Ergebnis dazu geführt, dass die Gefahr, bei der kleinsten falschen Bewegung von einer Polizeikugel niedergestreckt zu werden, größer ist als die, einem Raub zum Opfer zu fallen. Das hat ein existenzielles Ohnmachtsgefühl gegenüber der Staatsmacht zur Folge, das man sonst nur aus totalitären Regimen kennt. Die Möglichkeit, hinterher die Stadt auf Schadenersatz zu verklagen, das sich wiederum als Kapital einsetzen lässt, ist ja zunächst einmal zweitrangig, wenn eigentlich nicht weniger auf dem Spiel steht als das eigene Leben.

Apropos Unversehrtheit und Überleben:

Stoßdämpfern ist es auch egal, aus welchen systemischen Gründen die Krater in den Straßen die Ausmaße von Kleinwagen haben. Tatsächlich dürfte die Strecke von JFK International bis nach Manhattan mehr Schlaglöcher bereithalten als ganz Rumänien 1988.

Die Fahrer von sogenannten Sports Utility Vehicles, SUVs also, erzählen in New York gerne, dass diese Stadt den Einsatz von aufgebockten Geländewagen schlicht erfordere, weil das, was hier Street und Avenue heißt, anderswo Wald und Wiese hieße: „Wenn Du mit einem Porsche von der Wall Street in die Bronx fährst, ist spätestens in Harlem das Bodenblech weg.“

Ein Porsche-Fahrer, könnte man daraus schließen, müsste eigentlich ein vitales Interesse an einem Gemeinwesen haben, das zumindest in der Lage ist, die Straßen schön heile und glatt zu halten. Ungefähr das ist ja auch der Deal in den meisten westeuropäischen Ländern.

Viel mehr wird man realistischerweise auch Barack Obama als Zielvorstellung nicht unterstellen können. Ein Revolutionär ist er deshalb ja nun nicht. In Europa würden die meisten, wenn sie es mit Obamas politischer Agenda zu tun bekämen, vermutlich von einem, wie gesagt, liberaldemokratischen, allenfalls steinbrückhaft sozialdemokratischen Politiker sprechen. Amerikas Rechten kann man allerdings nicht einmal wirklich übelnehmen, dass sie sich um solche Feinsinnigkeiten nicht im Geringsten scheren.

Sie meinen exakt das, wenn sie Obama als Sozialisten bezeichnen: das nur fein angedeutet Sozialdemokratische. Aus dem Widerwillen dagegen nehmen die Rechten mit größter Leichtigkeit Widrigkeiten in Kauf, die man sonst nur mit dem real existiert habenden Sozialismus verbindet. Sie meinen den Sozialdemokraten und beschimpfen ihn der größeren Wirkung wegen als Lenin. Oder als Hitler. Oder als Muslimbruder aus Kenia. Alles in einem Atemzug. Völlig egal. Es macht von ihrer Warte aus im Grunde auch keinen Unterschied, weil es im Kern immer nur darum geht, dass der Staat keinen Primat über Wirtschaft und Gesellschaft haben darf, egal ob sich das im Detail nun Sowjetherrschaft, Faschismus, Nationalsozialismus, Staatsislamismus oder – als amerikanische Antwort auf den Zusammenbruch des Liberalismus im Jahr 1929 – „New Deal“ nannte, was deswegen in den Foren der libertären Barack-Obama-Hasser auch beeindruckend willkürlich durcheinandergeworfen wird.

Diese Fundamentalabneigung gegen den Staat als solchen ist im erlebten Alltag auch unmittelbar nachvollziehbar.

Der Mythos vom Land der Freiheit ist, besonders in New York, mit einem rekordverdächtig dichten Wald aus Verbotsschildern bis zur Unsichtbarkeit verstellt. Um überhaupt hineinzukommen, um hier leben zu dürfen, müssen Neuankömmlinge eine Bürokratie durchlaufen, deren Bauplan sich womöglich der Grafiker perspektivischer Unmöglichkeiten, M.C. Escher, ausgedacht hat. Es ist in diesem Land zum Beispiel ein absolutes Nichts, wer keine Sozialversicherungsnummer hat. Man kann nicht einmal einen Vertrag fürs Handy abschließen. Man würde nicht weggeräumt, wenn man nach Monaten des bürokratischen Horrors Selbstmord beginge, weil man ja eben ohne Sozialversicherungsnummer gar nicht existiert hat, wie soll man sich da erschossen haben?

In Brooklyn, das, wenn es nicht zu New York gehörte, eine Stadt mit zweieinhalb Millionen Einwohnern wäre, gibt es exakt eine Stelle, wo man die Sozialversicherungsnummer beantragen kann.

Der Raum hat wie alle amerikanischen Behördenräume die Farbe der Blousons, die deutsche Rentner gerne tragen, wenn sie mit dem Beton von Fußgängerzonen optisch verschwimmen wollen. Der Raum hat keine Fenster. Der Raum ist überfüllt. Der Tonfall ist dergestalt, dass einem Berliner Behördenbesuche (Berliner Behördenbesuche!) dagegen wie ein Flirt vorkommen. An einer Säule hängt eine ernst gemeinte amtliche Bekanntmachung: „Es ist nach Bundesgesetz ein Verbrechen, die Angestellten zu töten, zu entführen, gewalttätig anzugreifen, einzuschüchtern oder zu belästigen, während sie ihren Amtsgeschäften nachgehen.“

Nach sechs Stunden in dieser Behörde (so lange wartete der Westbesuch im Schnitt bei der Einreise in Helmstedt) weiß man, warum der Zettel da hängt: Ein Staatsapparat, der einem auf diese Tour kommt, soll zur Hölle fahren. Man gönnt ihm natürlich keinen Cent an Steuern. Dabei – kurze dekadente Europäerphantasie – würde vermutlich schon eine winzige Aufblähung von Personal, Raum, Licht und Gehältern an der Stimmungsfront Wunder wirken.

Dass Obama gleichzeitig als Lenin, Hitler und neuerdings auch als – noch schlimmer – François Hollande gebrandmarkt wird, ist dabei nicht der einzige Widerspruch, der sich beim Ernstnehmen der amerikanischen Perspektive rückstandsfrei auflöst. Der andere ist die sympathetische Nähe von Occupy Wall Street und Tea Party, deren beider Protagonisten bemerkenswert oft Verständnis füreinander haben, was all den linken Romantikern in Europa, vor allem in Deutschland gerne mal entgeht.

Occupy-Vordenker wie Michael Levitin prognostizieren sogar langfristig eine Allianz über alle kulturellen Gräben hinweg. Denn der Feind ist der selbe: Washington, „corporate America“, die Verflechtung von Wirtschaft und Politik, ersichtlich natürlich auch im Personaltableau des grausamen Barack Obama. Sogar das gesellschaftliche Ideal zwischen Rechten und Neo-Hippies ist ähnlich: die liebe Kleinstadt, in der jeder seinen Platz, seine Verantwortung und seine Anteile an der Genossenschaftsbank hat. Und die, natürlich, engster sozialer Kontrolle unterliegt.

Es hat beinahe etwas Rührendes, dass Amerikaner den Sozialismus auf der großen Bühne derartig fürchten, während sie ihn im Kleinen oft, ja: leben. Sie haben auch jede Menge Erfahrungen mit ihm gemacht. Die Vereinigten Staaten haben eine beeindruckend lange Geschichte im Durchprobieren sämtlicher untereinander streng verfeindeten Spielarten des Sozialismus. Sogar von Fouriers Phalanstère gab es hier einen Ableger. Abgesehen von den sozialen Segnungen scheinen auch Amerikaner schon früh und reichlich alles mitbekommen zu haben, was der Sozialismus sonst so mit sich bringt, einschließlich seiner Effizienzprobleme und des Gruppendrucks.

„Become a member!“, dies zischt einem in Brooklyn jeder zu, der seine Tüte mit Lauch nach Hause trägt. Werde Mitglied in der Park Slope Food Co-op! Die Food Cooperation ist, doch, doch: so etwas wie die größte sozialistische Partei New Yorks.

Die Kooperative wurde 1973 gegründet. Inzwischen hat sie mehr als 16 000 Mitglieder. Man hat immer das Gefühl, es befinden sich alle diese Mitglieder grundsätzlich gleichzeitig in diesem einen kleinen Laden. Es geht, vordergründig, um Gemüse. Das ist „organic“, es kommt „aus der Region“ (die Region reicht bis Pennsylvania) und kostet viel weniger als im Supermarkt. Aber es geht, wenn man hier Mitglied wird, eigentlich um viel mehr.

„Ihr könnt hier einkaufen, aber ihr müsst hier arbeiten!“, hatte die Frau mit den langen, aber gepflegten Achselhaaren in der „Members Orientation“ gesagt.

Man bekommt sein Gemüse hier billiger als bei Fairways oder Wholefoods. Aber man muss dafür Regale einräumen, verschimmelte Tomaten aussortieren, die Kassierer mit ihren Geldrollen zur Bank begleiten (der gefährlichste Job), an der Seite von mitteilsamen Hausfrauen, gedankenverlorenen Rabbis und genervten Rocksängerinnen Dinge tun, die nun mal keiner von uns allen in der Kooperative wirklich beherrscht. Da wir halt noch nie eine Lebensmittel-Kooperative in Schuss gehalten haben.

Man darf bei diesen Verrichtungen allerdings Frauen erleben, die in den 1960ern öffentlich ihre BHs verbrannt haben, und aber auch solche, die sich damit brüsten, dass ihr Ehemann squad leader ist und also in der Kooperative was zu bestimmen hat; man darf außerdem schon wieder feststellen, dass sich die Cleversten – wie damals in der DDR – im System die ruhigen Posten sichern, während andere in der Co-op-Hauspostille Linewaiters’ Gazette das Problem beschreiben, das entsteht, wenn vielen Einkaufenden dauernd ebenso viele unterbeschäftigte Kräfte im Weg stehen, die ihre Arbeitsstunden ableisten.

Oft kann man auch Leute sagen hören, dass sie nach ihrer Zweieinhalbstunden-Schicht keine Zeit mehr haben, noch mal so lange in der Food Co-op Schlange zu stehen. Die fahren dann zu einem richtigen Supermarkt. Wo sie mit dem Geld, das sie während ihrer Schicht mit qualifizierter Arbeit verdient hätten, allerdings nun leider nicht haben, die qualifizierte Arbeit derer bezahlen könnten, die professionell den Job erledigen, den ihnen in der Food Co-op dilettierende Professoren, Blogger und richtige Journalisten streitig machen.

Es ist keine Voraussetzung, aber es hilft in solchen Momenten, in denen Sinnzweifel nagen, wenn man in einer Dresdner Konsum-Kaufhalle in den 1980er-Jahren Radieschen aus dem Schulgarten für 50 Ostpfennig verkauft hat, die – Subventionssystem – nachher dann im Laden für 20 Ostpfennig angeboten wurden.

Es wird der Food Co-op, der Stadt New York und überhaupt diesem wie ein Rumpelstilzchen um den drohenden Sozialismus herumtanzenden Amerika egal sein, was für Erfahrungen der real existiert habende Sozialismus hervorgebracht hat. Verblüffend ist nur, wie praktisch diese Erfahrungen sind, um mit der Co-op, New York und Amerika klarzukommen. In einem Land, das sich trotz deutlichst sichtbarer Defizite unbeirrt zum großartigsten der Welt erklärt und noch den leisesten Zweifel an seiner Mission als Blasphemie ahndet, fühlt man sich als ehemaliger Bürger der Deutschen Demokratischen Republik automatisch: zu Hause.

In Amerika Olympia schauen, ist ja auch wie Heinz Florian Oertel noch einmal über den Medaillenspiegel jubeln hören. Selbst Lance Armstrong fallen zu sehen, heißt, ihn in Gedanken zu Katrin Krabbe, Jan Ullrich und all den anderen zu packen.

„Wait to be seated“? Das hieß im Dresdner Restaurant „Gastmahl des Meeres“ oder im Wirtshaus „Freundschaft mit dem Sowjetischen Volke“ in Coswig so: „Sie werden platziert.“ Wenn einem nun in New York mit jeder Rechnung („plus tax!“) bewusst gemacht wird, dass der Staat soeben mit am Tisch saß, dann ist das von früher her einsichtig und bekannt. Und dass („double the tax, please!“) außerdem der Kellner ein genau beziffertes Schmiergeld erwartet, auch dies ist ebenso noch vom Umgang mit den anderen schwarz arbeitenden Handwerkern vertraut.

Nur das Essen ist, zum Glück, wirklich unvergleichlich.

 

PETER RICHTER

Eine Variante dieses Textes erschien zuerst im Herbst 2012 in der Süddeutschen Zeitung