Wie aus dem Westen

Dieser Essay erschien zuerst im Katalog der Ausstellung „Andrea Pichl – Wertewirtschaft“ im Hamburger Bahnhof, Nationalgalerie der Gegenwart, die bis 4.5.2025 läuft.

Wenn im Sprachgebrauch der DDR jemand des Snobismus bezichtigt werden sollte, geschah das zum Beispiel dadurch, dass es hieß, derjenige ließe sich am Ende sogar die SED-Zeitung Neues Deutschland für „Westgeld“ über Genex liefern. Das Image eines systemerhaltenden Dekadenzphänomens war dieser Außenhandelsfirma tief eingeschrieben, weil sie im Alltag den wahren Charakter der DDR als Zweiklassengesellschaft sichtbar machte: Der fundamentale Unterschied bestand zwischen denen mit Zugang zu „Westgeld“ und denen ohne.[1] Normatives Ziel war eine Gesellschaft ohne. Die Normalität war aber eine mit. Und der Unterschied zwischen beidem, also dem Normativen und dem, was am Ende als normal galt, scheint sich auch wie ein roter Faden des Interesses durch das Werk der Künstlerin Andrea Pichl zu ziehen.[2] Er rührt tatsächlich aus der Geschichte der Normierung, die zum seriellen Bauen führen wird – aber eben auch die Grundlage von Versandhäusern mit ihren Bestellkatalogen ist.[3]

Dazu gehörte auch die Genex Geschenkdienst-GmbH, die 1956 von der Regierung der DDR ins Leben gerufen wurde, um ihre teilungsbedingte Spezialsituation innerhalb des Ostblocks wenigstens finanziell produktiv zu machen. Viele DDR-Bürger hatten nun einmal Angehörige oder ererbtes Eigentum in der Bundesrepublik. Es ging darum, Gelder in der international konvertierbaren D-Mark in die Staatskasse zu bekommen. Allerdings nicht nur, indem Konsumgüter aus der BRD als Geschenksendungen in der DDR geschickt wurden – sondern auch Güter, die eigentlich in Mark der DDR zu haben waren, allerdings nur schwer und nach jahrelangen Wartezeiten. Hier wurde mit harter Währung die schnellere Verfügbarkeit bezahlt. Automobile waren ein typisches Beispiel. Ein anderes aber waren Immobilien: die sogenannten Genex-Häuser (drei Varianten, Sattel- oder Walmdach, mit Keller oder ohne) und Genex-Wochenendhäuschen (ebenfalls mehrere Varianten.) Diese Bauten sind heute in Ostdeutschland noch viel zu sehen. Sie prägen ältere Eigenheim- und Wochenendhaus-Siedlungen, mitunter sogar direkt im Schatten der Plattenbauriegel, die gemeinhin für den Wohnungsbau der DDR stehen.[4]

Dass die Künstlerin Andrea Pichl für ihre Ausstellung „Wertewirtschaft“ im Hamburger Bahnhof das Phänomen der Genex-Kataloge noch einmal in Erinnerung ruft und die Architektur der Genex-Bungalows wieder vor Augen stellt, ist in mehrfacher Hinsicht konsequent: Es ist, erstens, natürlich eine Antwort auf Joseph Beuys‘ Serie und Installation „Wirtschaftswerte“, aus der nicht zuletzt eine westliche Faszination für die „ärmlichen Ästhetik“ von DDR-Produkten sprach, indem hier umgekehrt selbst diese DDR-Produkte so illuminiert werden, als wären es westliche. Aber es berührt eben auch das große Thema von serieller Architektur, das Pichl seit Langem gerade unter dem Aspekt seiner ideologischen Ambivalenzen und dialektischen Volten bearbeitet, sei es Installationen und Skulpturen, die die damaligen Verhältnisse auch in ihrer räumlichen „Weite und Vielfalt“[5] wieder vor Augen stellen, sei es, dass sie mit Buntstiften Zeichnungen davon anfertigt, wie man sie bestenfalls von als pittoresk geltenden Altstadtszenarien kennt, kaum jedoch von Baudetails der DDR-Neubauvierteln.

Häuser, die bestellt und geliefert werden können, rühren schließlich an die Ursprünge der Industrialisierung des Bauens. Auch das Haus, das Buster Keaton in seinem ersten großen Kinofilm „One Week“ (dt. „Flitterwochen im Fertighaus“) 1920 zur Hochzeit von einem Onkel geschenkt bekommt und dann nicht richtig zusammengebaut bekommt, ist letztlich schon eins aus dem Katalog.[6] Man könnte die Genealogie prinzipiell auch bis in die Antike zurückverfolgen, aber es ist das 19. Jahrhundert, in dem die Entwicklung wirklich Fahrt aufnimmt. Die Industrialisierung des Westens hat auch Bemühungen um die Industrialisierung des Bauens zur Folge. Es dürfte allerdings schwerfallen, der Sache hier bereits die emanzipatorischen Potentiale zu attestieren, die das Neue Bauen ihr im 20. Jahrhundert zuschreiben wird. Eher verbindet sich damit etwas, das heute gern als Siedlerkolonialismus bezeichnet wird. Die ersten serienmäßig aus standardisierten und transportfähigen Teilen gefertigten Häuser zur Selbstmontage durch Ungelernte wurden immerhin in den 1830er-Jahren von Herbert Manning in London für den Einsatz in den englischen Kolonien entwickelt. Auch die leichte Holzrahmenbauweise, die damals in Nordamerika als „Balloon Frame“ bekannt wurde, diente nicht zuletzt der schnellen Landnahme. Frühe Fertighaussysteme hatten diese Technik durch normierte Bauteile dann noch weiter rationalisiert.[7] Aber beides, die Manning Portable Colonial Cottages wie die amerikanischen Holzhäuser hatten in der Regel ein gemütvolles Satteldach, mindestens eine regengeschützte Veranda und dort oft Stützen, die als schlanke Reminiszenz antiker Säulen lesbar waren. Echos dieser traditionalistischen Elemente finden sich wiederum noch in den Fertighäusern und vor allem Bungalows, die über Genex auf Grundstücke der DDR bestellt werden konnten.

Die Häuser wiederum, die als erste Plattenbauten der Geschichte gelten, weil sie aus geschosshoch vorfabrizierten Bauelementen zusammengesetzt waren, wurden zwar technologisch zum direkten Vorbild der ersten Berliner Siedlung, bei der in den Zwanzigerjahren mit industrialisiertem Wohnungsbau experimentiert wurde.[8] Aber ursprünglich stammte das dort verwendete Bausystem aus Grosvenor Atterburys „Forest Hills Gardens“ auf Long Island in New York, und das war das Imitat einer englischen Gartenstadt im Tudor-Stil, konzipiert als amerikanisches Wimbledon.[9] Also definitiv kein Ort, der sich äußerlich zum Fordismus fließbandmäßiger Wohnraumproduktion und zur Ästhetik der rationalistischen Moderne bekannt hätte.

Dafür schließt sich am Ende der DDR ein Kreis, als der Plattenbau nach Jahrzehnten der Monotonie-Kritik „individualisiert“ und in die tradierten Stadtgefüge eingepasst werden sollte. Das Ergebnis hier waren zum einen historisierend gestaltete Plattenbauten, die sich nicht unwesentlich an den neobarocken Satellitenstädten des Spaniers Ricardo Bofill in Frankreich orientierten und innerhalb der Architekturszene der DDR durchaus den Vorwurf des Verrats an der Moderne auf sich zogen.[10] Das andere waren die Versuche, historisierend dimensionierte Plattenbauten in die Straßenraster der Altstädte einzupassen, etwa in der Spandauer Vorstadt oder dem Nikolaiviertel von Berlin. Als Andrea Pichl die Baulücken, die sich dabei zwischen Alt- und Neubauten ergaben, im Maßstab 1:10 nachgebildet hat , ergab das Skulpturen, die natürlich auch von den Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit erzählen.[11]

Nur: In der Phase, in der das industrielle Bauen technologisch und ästhetisch im Zuge der Hochmoderne ganz zu sich selbst finden konnte, waren die Widersprüche nicht unbedingt kleiner. Die Versuche am Bauhaus, die Errichtung von Hausteilen und schließlich ganzen Häusern zu industrialisieren, speziell unter Walter Gropius, waren in ihrer Zeit noch an Grenzen von Ökonomie und Eigentumsrechten gestoßen, die eigentlich erst mit den freien Kranbahnen in den Neubaugebieten der DDR grundsätzlich beiseite geräumt waren. Trotzdem sind die ersteren trotz des Scheiterns an den eigenen Ansprüchen in die Geschichte der gebauten Utopien eingegangen, letztere gelten bis heute oft eher als betongewordene Dystopien.

Dabei war das Wohnungsbauprogramm, mit dem die DDR – überwiegend durch seriellen Neubau – die „Wohnungsfrage als soziale Frage“ gelöst haben wollte, noch ein vergleichsweise progressiver Erbe des Bauhauses.[12] Direktere Fluchtlinien führten schließlich in und durch das NS-Regime. Ein Bauhäusler wie Fritz Ertl konnte noch bei dem Kommunisten Hannes Meyer studiert haben und trotzdem seine Kenntnisse ein Jahrzehnt später als stellvertretender Leiter der SS-Zentralbauleitung bei der Errichtung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau zur Verfügung stellen. Ein Bauhäusler wie Franz Ehrlich hingegen konnte als Kommunist von den Nazis im KZ Buchenwald inhaftiert werden, nach der Entlassung 1939 Inneneinrichtungen für SS-Heime entwerfen, in der frühen DDR den Bau von Stalinstadt planen und schließlich in den Möbelwerkstätten von Dresden-Hellerau zum Entwerfer von Typenmöbeln werden, die in ihrer passenden Dimensionierung besonders die Neubauwohnungen Ostdeutschlands zum Teil bis heute prägen.[13] In Andrea Pichls Arbeit wiederum wird immer wieder die ambivalente Rolle des Bauhäuslers Ernst Neufert thematisiert, der erst Gropius‘ Schüler und Büroleiter war und später vom NS-Regime beauftragt wurde, das industrielle Baugeschehen durch Normung zu rationalisieren, nicht zuletzt um die kriegsbedingten Wohnraumverluste effizient auszugleichen.[14] Seine „Bauentwurfslehre“ von 1936 ist bis heute eines der international erfolgreichsten Fachbücher für Architekten. Seine „Hausbaumaschine“ für industriell errichtete Wohnriegel und seine „Behelfsheime“ für „vom Luftkrieg Betroffene“ sind schon formal ein Vorschein auf Plattenbauriegel und Wochenendhaus (ob von Genex oder nicht) in der DDR. Dass er nachher im Wirtschaftswunderwestdeutschland die Zentrale des Quelle-Versandhauses errichten konnte, brachte die Themen Fließband, Normung, Kommodifizierung und anschließende Distribution endgültig auf einen Nenner. Für die Begründung einer genuin sozialistischen Architektur in der DDR ergaben sich aber gerade im Wohnungsbau heikle Legitimationsprobleme sowohl durch die kontaminierte Tradition als auch durch Vergleichbarkeit zu Entwicklungen im Westen.

Das Wort von der Konvergenz war im Schwange, wurde in der DDR aber zunächst eher gefürchtet. Eine Entwicklung zu einer Industriegesellschaft jenseits der Ideologien, wie sie Konvergenztheoretiker wie Jean Fourastié und Joseph Schumpeter im Westen an die Wand gemalt hatten, lag naturgemäß nicht im Interesse der Stalinisten um Ulbricht. Die Entdifferenzierungsprognosen, die den Industrieländern beider politischer Lager in wirtschaftlicher und – etwa von dem griechischen Architekten und Stadtplaner  Konstantinos Doxiades – schließlich sogar in architektonischer Hinsicht gestellt wurden, brachte die SED-Herrschaft in ein Dilemma. Denn der von der Sowjetunion oktroyierte Ansatz „schönen Bauens“ und einer „national-traditionalistischen Architektur“ konnten ausgerechnet von Westdeutschland aus wegen formaler Nähe zum Traditionalismus im NS diskreditiert werden. Während viele Architekten im Westen nur vom Nazi-Klassizismus zu einer dünnbeinig-organischen Nierentisch-Moderne umschwenken mussten, hatten ihre kommunistisch gesonnenen Kollegen im Osten gleich eine doppelte Kehre hinzulegen. Als aus Moskau schließlich die Rückwendung zu Industrialisierung und Moderne dekretiert wurde, wirkte das in Ostdeutschland zum Teil wie eine Befreiung: „Wir haben’s geschafft“, stellte der Leiter eines großen staatlichen Entwurfsbüros in der Septemberausgabe der Zeitschrift „Deutsche Architektur“ 1957 glücklich fest: „Unsere Architektur können Sie von der westdeutschen nicht mehr unterscheiden.“[15]

Es gehört zu der von Pichl oft bearbeiteten Dialektik der ostdeutschen Baugeschichte, dass sie gerade dadurch schließlich doch unterscheidbar wurde. Die Bauteile und Dimensionen des Wohnungsbausystems (WBS) 70, das am Ende den Großteil des Neubaubestands in der DDR bilden sollte, sind schon sehr spezifisch. Die Einraum-, Zweiraum- und Vierraumwohnungen des WBS 70 haben das Bild von Ostdeutschland und die räumliche Erfahrung seiner Einwohner geprägt, tun es zum Teil bis heute. Und Andrea Pichls, sich in der Sammlung des Hamburger Bahnhofs befindliche Arbeit „Doublebind“ (2011), die Verschränkung der maßstabsgerechten Dimensionen solcher Wohnungen mittels eines Stecksystems zur Skulptur, bezeugt auf körperlich nachvollziehbare Weise, warum das als befreiend gedachte eben auch als einengend erlebt werden konnte.

Selbst das markante Hochhaus der Auslandsabteilung des Ministeriums für Staatssicherheit an der Frankfurter Allee war ein adaptierter Spezialbau auf Grundlage des WBS 70. (Die detaillierte Planskizze für Erich Mielkes täglich zu servierendes Frühstückstablett, die sich in Andrea Pichls Zeichnungen zur Stasizentrale findet, lässt sogar das Verhältnis von Kaffeekanne und Eierbecher des mächtigen Ministers als Frage der Raumplanung erscheinen.) In den nachgebauten Genex-Bungalows ihrer Ausstellung im Hamburger Bahnhof findet sich auch ein Foto, das nach der Stürmung der Stasi Ende 1989 in dem Komplex gefunden wurden und das Pichl auf Betonplatten gedruckt hat. Es zeigt Mitarbeiterinnen der Staatssicherheit der DDR beim Betriebssport – und zwar beim Yoga, das seit den Siebzigerjahren von einer indischen Spiritualtechnik zunehmend einer Art Trendsport im Westen geworden war. Das von Jane Fonda in den Achtzigern popularisierte Aerobic hieß in der DDR „Popgymnastik“; es ist aber leider nicht überliefert, ob die Tschekistinnen des MfS eigene Begriffe auch für die Yoga-Asanas hatten, die sie auf diesem Foto durchturnen. Nach Auskunft einer Berliner Yoga-Lehrerin tun sie das zwar nicht ganz korrekt, aber eben auch nicht ganz verkehrt.[16

Das, worauf nun Pichl die Aufmerksamkeit lenkt, ist ohnehin etwas anderes: die üppigen Ornamente auf den zu Yogamatten zusammengelegten Decken und den Vorhängen. Denn auch das ist offenbar so ein dialektisches Prinzip der Moderne: Je rationaler die Architektur, desto floraler die ebenfalls seriellen Textilien. Und selbst das war – wer sollte es besser gewusst haben als die sogenannten Auslandsaufklärer der Stasi – nicht anders als ungefähr ein Jahrzehnt zuvor im Westen.

(c) Peter Richter

 

[1] Der Genex-Katalog des Jahres 1977 zeigte auf dem Cover noch kleine Bildquadrate, in denen in aller Sachlichkeit, Beispielbilder für die verschiedenen Produktkategorien abgebildet waren, die bestellt werden konnten, Kleidung, Unterhaltungselektronik usw. Später wurden die Glücksversprechen auf den Titelbildern von Darstellern vorgelebt, die im Habitus betont „westlich“ auftraten: Musterfamilien im Zustand materieller Maximalbeglückung, Kinder mit Kassettenrekorder von SANYO auf der Schulter, Väter als exakte Kopien von Privatdetektiv Tom Selleck in der (West-)Fernsehserie „Magnum“, Mütter mit Coca-Cola und Martini im Einkaufskorb (so auf dem Titelbild von 1986), alle versammelt hinter einem Wartburg 353, der trotz 1985 erfolgtem Facelift doch sehr eindeutig ein DDR-Auto aus den mittleren Sechzigerjahren blieb.

[2] Pichls in der Rostocker Kunsthalle 2023 gezeigte Ausstellung zum „Kiosk“ als komplexe Sozialarchitektur, genauer zu Phänomenologie und Typologie des typischen Zeitungskiosks des Postzeitungsvertriebs (PZV) in der DDR als kommunales Regenschutzdach mit Verkaufsbüdchen rief zumindest Zeitzeugen auch in Erinnerung, dass das einzige, was es dort immer gab, was nie ausverkauft war und auch nie zur begehrten „Bückware“ unterhalb des Ladentischs wurde, tatsächlich das Neue Deutschland war, dessen Auflage allem Papiermangel zum Trotz offensichtlich immer weit über der tatsächlichen Nachfrage gehalten wurde.

[3] Die frühen Versuche der Normung schlagen sich etwa nieder in den vielen „Normalkirchen“ oder „Normalschulen“ der Schinkelzeit. Den deutschen DIN-Normen als direktes Kind der Kriegswirtschaft des Ersten Weltkriegs entsprachen in der DDR TGL-Normen, die im Interesse des Außenhandels oft deckungsgleich waren, aber Gesetzesrang hatten, also tatsächlich normativ waren. Vgl. hierzu auch: Ute Gerhard und Jürgen Link: „Normativ“ oder „normal“? Diskursgeschichtliches mit Blick auf das „Neue Bauen“, in: Walter Prigge (Hg.): Ernst Neufert – Normierte Baukultur, Frankfurt/Main? und New York 1999, S. 313-328.

[4] In dem DEFA-Film „Die Legende von Paul und Paula“ von 1973, der nicht nur ein anrührendes Liebesdrama erzählt, sondern auch viel über die Architektur- und Sozialgeschichte der mittleren DDR, steht der Plattenbaublock für den technokratischen Funktionär Paul, der bröckelnde Altbau für die romantische Paula, die Welt der Genex-Eigenheime und Bungalows aber wird repräsentiert von dem „Reifenfritzen“ Saft, dem handwerkernden Privatunternehmer und Dingebesorger, der hier als in jeder Hinsicht veraltet gezeichnet wird, aber ohne den es eben auch nicht rundläuft.

[5] So lauteten schließlich die kulturpolitischen Vektoren, die vom VIII. Parteitag der SED 1971, dem ersten unter Erich Honecker als Machthaber, ausgegeben wurden; kurz darauf wurde das Wohnungsbauprogramm implementiert, das bis 1990 „die Wohnungsfrage als soziale Frage“ lösen sollte, und zwar vornehmlich durch seriellen Wohnungsneubau, vulgo: Plattenbau.

[6] Die Slapstick-Komödie wirkt heute wie ein Vorschein auf das Schicksal all derer, die an Möbeln zum Selberzusammenbauen von Ikea o.ä. scheitern. Tatsächlich war es aber eine Persiflage auf einen werbenden Dokumentarfilm über die industrielle Produktion von Fertighäusern mit dem Titel „Home Made“ von 1919.

[7] Am bekanntesten: das der Hodgson Company aus Massachusetts.

[8] Die erst später zu ihrem heutigen Namen gekommene Splanemann-Siedlung in Friedrichsfelde gehörte zu den bautechnisch avanciertesten Siedlungen unter der Ägide von Martin Wagner, sie ist nur leider weniger bekannt als etwa die Hufeisensiedlung u.ä.

[9] Details bei: Peter Pennoyer, Anne Walker: The Architecture of Grosvenor Atterbury, New York 2009, S. 148ff.

[10] Vgl. Simone Hain: Zwischen Arkonaplatz und Nikolaiviertel. Stadt als soziale Form versus Inszenierung. Konflikte bei der Rückkehr in die Stadt. In: Stadt der Architektur. Architektur der Stadt. Berlin 1900-2000. (Ausstellungskatalog Berlin) Berlin 2000, 337-347, S. 342

[11] Pichls Skulpturengruppe „zwischen“ (2012) bildet die funktionslosen Zwischenräume im Maßstab 1:10 in Sperrholz nach. Die Arbeit beruht auf Messungen, die der Architekt Arno Brandlhuber an solchen architekturgeschichtlichen Fugen in Berlin-Mitte angestellt hatte, wobei sich beide natürlich auf Gordon Matta-Clarks Arbeit „Reality Properties – Fake Estates“ von 1973 beziehen, für die Matta-Clark 15 solcher praktisch unnutzbarer Verschnittflächen in verschiedenen Boroughs von New York als Grundeigentum erworben hatte.

[12] Der wörtliche Bezug auf Friedrich Engels, der die Lösung der „Wohnungsfrage“ (seine Schrift dazu entstand ziemlich genau 100 Jahre vorher, nämlich 1872-73) praktisch mit dem Erreichen des Kommunismus gleichgesetzt hatte, gab dem Vorhaben eine sozusagen heilsgeschichtliche Dimension.

[13] Zu Ehrlich im Speziellen, siehe: Friedrich von Borries, Jens-Uwe Fischer: Gefangen in der Titotalitätsmaschine – Der Bauhäusler Franz Ehrlich, Berlin 2022. Zum Bauhaus im Nationalsozialismus in weiteren Beispielen, vgl. die Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ der Klassik-Stiftung Weimar 2024.

[14] Pichls Installation „Palimpsest“ (202$) am und in Auseinandersetzung mit dem heutigen Detlev-Rohwedder-Haus, Sitz des Bundesfinanzministeriums, erbaut als Sitz von Hermann Görings Reichsluftfahrtministerium, thematisiert unter anderem die von Ernst Neufert vorangetriebene Normung von Industriebauten und schließlich Behelfsheimen.

[15] Zit. Nach: Thomas Hoscislawski „Bauen zwischen Macht und Ohnmacht, Architektur und Städtebau in der DDR“, Berlin 1991, S. 150f.

[16] Auf dem ausgestellten Foto handelt es sich demnach um eine Salamba Sarvangasana Variation, deutscher Name: Schulterstand. (Ich danke M.K., Berlin, für die Begutachtung.) Tatsächlich wurde Yoga gerade von der Staatssicherheit noch in den Siebzigerjahren wegen „Mystizismus“ als gefährlich eingeschätzt, beobachtet und zum Teil verfolgt. Ausgerechnet den Behörden der DDR kam die spirituelle Dimension und die religiösen Komponenten von Yoga damals noch vorrangig vor. Während Yoga im Westen dann zu einer populären Wellness- und Fitness-Praxis profaniert wurde, weichte auch in der DDR die harte Haltung auf; Ende der Siebziger ist hier vom Gesundheitssport „Yoganastik“ die Rede. Nachdem der Inder Rakesh Sharma 1984 in einer sowjetischen Raumkapsel mit Yoga experimentiert hatte, war der Bann offenbar gebrochen. Vgl. Mathias Tietke: Yoga in der DDR – Geächtet, Geduldet, Gefördert: Inklusive: Die Rezeption des Yoga im Ostblock und in der sowjetischen Raumfahrt. Kiel 2014.