„Fertig ist besser als gut“ ist eine Weisheit, die fast jeder einmal zu hören bekommt, der zu lange an einem Projekt herumwerkelt. Bei dem Projekt, einen gemeinsamen Großflughafen für Berlin und Brandenburg zu bauen, ging andererseits sogar dieser Motivationsspruch nach hinten los: Continue reading
Texte
Warburgs Bilderatlas in Berlin
Wer Aktuelles will, kommt um die Antike manchmal nicht herum: Die Leute, die in Hamburg an der Entwicklung der „Tagesschau“ gearbeitet haben, taten das Anfang der Fünfzigerjahre zunächst in einem Gebäude, über dessen Eingang groß das Wort „Mnemosyne“ stand. Humanistische Bildung oder ein Lexikon wird ihnen gesagt haben, dass das nicht nur der Name der Göttin des Gedächtnisses ist, sondern dass so in der Unterwelt auch der Fluss der Erinnerung heißt, das Gegenstück zur Lethe, dem Fluss des Vergessens, dem in jenen Jahren vieles zum Opfer gefallen schien – nicht zuletzt der Erbauer jenes Hauses. Continue reading
Claude Monet, das Geld und Hasso Plattner
Die wertvollsten Strohhaufen der Welt sind also ab sofort in Potsdam zu sehen. 111 Millionen Dollar hat die Kunststiftung des Unternehmers Hasso Plattner bei einer Auktion vergangenen Mai dafür bezahlt, gewissermaßen für jeden Halm im Bild einen. Dafür ist es allerdings auch ein besonders prachtvolles, nicht zuletzt auch besonders strohballenreiches Exemplar aus der Serie von Gemälden, die Claude Monet 1890 von diesem Sujet angefertigt hat. Die Summe habe weit über dem Schätzpreis gelegen, erklärte Plattner zur Eröffnung der Ausstellung „Monet. Orte“, aber bevor das Bild „irgendwo in China“ verschwindet … Andächtiges Raunen in den Reihen. Continue reading
Horzon vs. Wikipedia
Wer sich im Internet über Rafael Horzon erkundigen will, erfährt auf Wikipedia, dass er ein „deutscher Künstler, Unternehmer, Schriftsteller und Designer“ sei. Dagegen geht Horzon nun juristisch vor. Er möchte der Wikimedia Foundation Inc. untersagen lassen, ihn auf ihrer deutschen Website weiterhin als Künstler zu bezeichnen. Seine Anwältin sieht hier einen Eingriff in Horzons Persönlichkeitsrechte. Nachdem die Frist, die sie zur Unterlassung gestellt hatte, am vergangenen Freitag abgelaufen ist, will Horzon nun gerichtliche Schritte einleiten. Continue reading
Mitteldeutsch
Mit dem Beginn des Mittagsläutens hatte sich der Trauerzug in Bewegung gesetzt, und als die Glocke in der Dorfkirche zum Ende kam, war die Urne bereits, mit Blumen bestreut, einen Meter unter der Erde. Denn die Friedhöfe sind überschaubar im Erzgebirge, da ist der Weg von der Kapelle zum Grab nicht weit. Dafür geht der Blick über flache Mauern weit ins Land und ist insgesamt von großer Tröstlichkeit, jedenfalls für die Hinterbliebenen. Zumal die Verstorbene, betagt wie sie war, nirgendwo anders die letzte Ruhe finden wollte und das Essen im Gasthof immer noch so gut und reichlich ist. Bei Soljanka, Forellen, Rouladen und Schnitzeln, letztere zum Teil mit Würzfleisch überbacken, wird nacher, wie es sich gehört, der Dahingeschiedenen gedacht und die Arbeit des Bestatters gewürdigt, der allerdings auch eine beeindruckende Erscheinung war mit seinem Zylinder, seiner goldenen Uhrenkette und seinem goldenen Gebiss. Als zum Nachtisch die Eisbecher mit Sahne aufgetragen werden, kreist das Gespräch längst um verjährte Affären und das Maß an Toleranz, das den Erzgebirglern seit jeher abverlangt worden sei, vor allem den Frauen: Wenn man bedenke, dass früher die Bauern hier nicht nur mit ihren Bäuerinnen Kinder hatten, sondern oft auch mit den Mägden. „Aber das war kein Problem, die wurden einfach mit untergebuttert.“ Continue reading