Man muss nicht zu der Sorte Mensch gehören, die sich in ihrer Freizeit ins Universum einschwingt, um sicher sagen zu können, dass es zur Zeit nirgendwo darin einen Ort geben dürfte, der weniger nach spirituellen Sinnsuchern, Aussteigern und Kommunenleben aussieht als Ascona am Lago Maggiore in der Schweiz. Die Atmosphäre an der Uferpromenade wird vielmehr bis heute völlig dem gleichnamigen Mittelklasse-Opel aus den Siebzigern gerecht, und die Häuser an den Hängen sehen immer noch aus wie auf dem berühmten Plakat von Klaus Staeck („Deutsche Arbeiter, die SPD will Euch Eure Villen im Tessin wegnehmen.“) Oben glänzt der Schnee auf den Alpen wie die Sahne auf der Torte, unten gluckert schwarz der See, und wenn man zwischendrin Angela Merkel beim Urlauben hier träfe, würde es einen nur deshalb wundern, weil es schon deutlich teurer ist als in Südtirol; allerdings: Adenauer war auch schon da. Continue reading
Texte
Raffaels mit Reifen
Giugiaro, Gandini, Fioravanti: mit diesen Namen hatte ein heranwachsender Mensch in den Siebzigern und Achtzigern im Prinzip fast schon alle Trümpfe in der Hand, die das Autokarten-Quartett hergab. Er wusste nur möglicherweise nichts davon, weil die Namen der Autos, die diese Männer entworfen hatten, noch viel klangvoller waren. Sie lauteten De Lorean DMC-12, Lamborghini Miura oder Ferrari 308. Dass letzterer Tom Selleck in „Magnum“ als Dienstwagen diente, während der De Lorean in „Zurück in die Zukunft“ sogar sogar Raum-Zeit-Kontinuum überwinden konnte, machte diese Wagen nur noch phantastischer. Continue reading
Minsk in Potsdam
Mehr als zwei Stunden hatte die letzte Stadtverordnetenversammlung in Potsdam schon gedauert, es war gerade um die Wohnungsbauentwicklung in der stark wachsenden Nachbarstadt von Berlin gegangen, als Christian Seidel ans Mikrofon trat und etwas Bemerkenswertes sagte.
Seidel, muss man dazu wissen, hat nach der Wende viele Jahre lang für die SPD den mächtigen Bauausschuss geleitet, er wurde gelegentlich als Stadtbaudirektor Potsdams bezeichnet. Und obwohl Seidel seine Ämter inzwischen niedergelegt hat, erbat er sich ein Rederecht, bevor die Stadtverordneten über Tagesordnungspunkt 6.10 debattieren würden. Er begann mit dem Vorwurf des „Abrisswahns“, der in Potsdam grassiere. Den wies er zurück. Continue reading
Angst vorm Fikkefuchs?
Diese Woche kommt eine Komödie ins Kino, die viele Menschen erheitern und verstören wird, einige allerdings nur erheitern, einige nur verstören. Gab es schon mal so viel zu lachen in einem Film aus Deutschland? Gleichzeitig gab es womöglich noch nie so viel zum Fürchten und Sich-Schämen. Und es sind dann gar nicht so sehr die dosierten Brachialszenen; es sind so peinhaft die Dialoge und Monologe, die klingen, als habe ein Drehbuchautor Diamanten auf der Straße gefunden. Continue reading
Joel Meyerowitz
Und wenn die Fotos von Joel Meyerowitz doch nicht so großartig sind, wie sie diese Berliner Retrospektive einen glauben machen will? Die wiederum ist nämlich so großartig, auf jeden Fall aber so groß, dass sie selbst diesen Blickwinkel zulässt, ohne dass sich dabei jemand langweilen muss. Continue reading