Letzter Ismus: Aktivismus
Jetzt haben sie in Paris nicht nur eine Ausstellung von der nächsten Documenta-Kuratorin. Jetzt wurde in Paris – so wie bei der letzten Documenta – kurz nach der Eröffnung auch eines der gezeigten Werke wieder entfernt. Die Kuratorin, die in zwei Jahren die Kasseler Großausstellung verantwortet, heißt Naomi Beckwith, ist am Guggenheim in New York beheimatet und gilt als diplomatisch. Die Ausstellung, die sie jetzt gemacht hat, findet im Palais de Tokyo statt, dem Ausstellungspalast mit dem jugendlichen Zwischennutzungscharme an der Seine. Das Exponat, das entfernt wurde, stammte von Cameron Rowland, Jahrgang 1988, ebenfalls in New York daheim, und es bestand aus einer Fahne.
Es handelte sich um die 2023 neu eingeführte Fahne von Martinique in der Karibik, einem Überseedepartement, das zu Frankreich und also der EU gehört. Diese Fahne ließ Rowland vor dem Palais de Tokyo aufhängen, anstelle der französischen. Titel: „Replacement“. Continue reading
Exklusivität für alle
Ein Geschenk soll das neue Opernhaus sein. Hamburg muss nur den Gabentisch besorgen: ein hochwasserfest gemachtes Baugrundstück direkt am Fluss. Dann will der Unternehmer Klaus-Michael Kühne seiner Geburtsstadt den kompletten Bau da draufstellen, schlüsselfertig und auf dem neuesten Stand der Bühnentechnik. Herzlichen Glückwunsch! Könnte die Freude noch größer sein? Stand jetzt: durchaus.
Nachruf Rudolf Horn, 96
Könnte sein, dass ausgerechnet die Arbeiten des Möbelgestalters Rudolf Horn zu den Dingen gehören, die den Osten und den Westen Deutschlands bis heute fundamental trennen.
Im Westen dürfte das bekannteste Möbelstück von Horn nämlich der Freischwinger „Konferstar“ sein, eine deutlich komfortablere Variante von Mies van der Rohes berühmtem „Barcelona Chair“ von 1929. Horn hatte sich im Leipziger Grassimuseum eines schönen Frühsommertages, als die Wärter nicht hinschauten, auf der Designikone niedergelassen. Er fand sie so verehrenswert, so schön – und dann allerdings auch so enttäuschend unbequem, dass er nach Hause lief, um… Continue reading
Straßenkampf mit Name und Anschrift
Im Vorgarten der Botschaft von Nordkorea steht an diesem Tag eine Hebebühne, und eine Frau mit Pferdeschwanz streicht gewissenhaft den Fahnenmast neu an. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil man dort sonst nie einen Menschen sieht, nur eisern zugezogene Vorhänge hinter sämtlichen Fenstern. Außerdem steht Nordkoreas Botschaftsgebäude, ein sachlicher Bau von DDR-Architekten, exakt dort, wo bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs das berühmte Luxushotel Kaiserhof stand, in dem Hitler seine Wahlkampfzentrale hatte, auch weil er von dort die schräg gegenüberliegende Reichskanzlei in den Blick nehmen konnte. Continue reading
