Little Russia, Brighton Beach

Über: Russland - die Ukraine - einen Strand in Brooklyn

Du nimmst von Manhattan aus die U-Bahn-Linie Q, fährst nach Brighton Beach und bist in einem anderen Land, musst allerdings trotzdem mit Dollars bezahlen. Im Restaurant Gambrinus am Ocean Parkway tun die Kellner zum Beispiel so, als befänden wir uns auf dem Panzerkreuzer Potemkin: Sie tragen Matrosenhemden und wirken außerordentlich gefechtsbereit. Nicht alle sprechen Englisch, die wenigsten sprechen überhaupt besonders viel, und schüchternes Schulrussisch ändert an der insgesamt eher einschüchternden Gebärde, mit der sie einem den Borschtsch hinstellen, auch nicht wirklich was. Das trinkgeldgeile Kellnergrinsen überlässt man im Gambrinus selbstbewusst dem großen Rest Amerikas.

Hier soll es nun neulich ein kleines Gerangel gegeben haben zwischen Anhängern der ukrainischen Sache und ein paar Burschen, die das St.-Georgs-Band trugen, orange-schwarz gestreift, aus dem Zarenreich herübergewachsenes Symbol russischer Tapferkeit. Erzählen manche. Andere wiederum sagen: Ach was. Im Moment geht die Tendenz der Meinungen zu: Ach was. Continue reading

Die Gelbe Gefahr

Über: Yellow Cabs vs. Livery Cabs - Hispanics vs. Bangladeshi - Checker Car vs. "Taxi of Tomorrow"

 

 

Sian Green aus England, 23 Jahre alt, hatte sich dermaßen auf ihre erste Reise nach New York gefreut, dass sie auf ihrer Instagram-Seite einen Countdown runterzählen ließ. Die Bilder, die das untermalten, waren die üblichen Sehnsuchtsbilder von New York: Wolkenkratzer, Straßenschluchten, Yellow Cabs. Und dann kam das alles tatsächlich ein bisschen schnell und anders als geplant auf sie zu. Gleich an ihrem ersten Tag, auf dem Gehweg vor dem Rockefeller Center, wird Green von einem Taxi über den Haufen gefahren, dem Teilzeit-Model wird ein Bein abgetrennt. Continue reading

Bomber-Alarm bei Barney’s

Über: eine Mode-Epidemie - Rabauken-Kulturen - die Lederjacke als Kampfharnisch

Bomberjacken. Auf einmal gibt es nur noch Bomberjacken. Es ist schon ein bisschen beunruhigend, wenn es in der Designermode-Abteilung von Barney’s in New York plötzlich aussieht wie früher beim Hoolywood in der Schönhauser Allee um die Ecke vom Berliner Jahn-Sportpark. Denn das sind die Orte, wo solche Jacken bis vor kurzem noch zu Hause waren. Continue reading

Warm Duschen: Sechs Feldpostkarten aus den USA.

Über: Waffen - Härte - Wimpy Europeans

Der Frieden

Es gibt Leute, die sagen, der „Rocky Mountain Shooters Supply“ im schönen Fort Collins, Colorado, gehört zu den sichersten Orten auf der Erde. Über der Tür steht Guns – Guns – Guns. Und drinnen gibt es: Guns, Guns, Guns. Pistolen, Gewehre, Flinten, Büchsen, Knarren, Schießprügel, Bleispritzen und Wummen. Von der fast nicht mehr sichtbaren Damenkanone zum hinters Strumpfband klemmen bis zur Clint Eastwood-Gedenk-Magnum. Es trägt auch jeder eine am Gürtel. Wenn hier einer auf die Idee käme, Ärger zu machen, hätte der sehr schnell sehr viele Löcher. Continue reading

Stadt mit Bart

Über: Pferdekutschen - Friedrich-Engels-Bärte - taktische Nostalgie

Der Bart als phylogenetischer Restbestand unserer ehemaligen Vollbehaarung stellt evolutionär betrachtet eine spezialisierte Form der Körperbedeckung dar und signalisiert klaren Sexualdimorphismus. So steht es in Christina Wietigs Dissertation „Der Bart – Kulturgeschichte des Bartes von der Antike bis zur Gegenwart“, Hamburg 2005.

Die Pferdekutsche als Restbestand unserer ehemaligen Straßenverhältnisse stellt evolutionär betrachtet eine Verkehrsbehinderung dar und ethisch eine Tierquälerei, sie signalisiert aber klar Romantik und wird deshalb gegen alle Abschaffungsversuche verbissen verteidigt. Das steht so in noch keiner Doktorarbeit, kann allerdings so gut wie jeden Tag in der New York Times nachgelesen werden. Was Vollbart und Kutschen nämlich verbindet, abgesehen davon, dass beides Atavismen sind: Sie sind das, was die New Yorker im Moment über die Maßen beschäftigt – mehr als man das vielleicht vermuten würde in einer Stadt, von der die Welt sich eher das Neue erwartet, Trends, Moden, Zukunft. Ganz offensichtlich ist aber der modernste Trend, der von New York für die Zukunft ausgeht, das 19. Jahrhundert. Continue reading